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291 - Die heilige Stadt

291 - Die heilige Stadt

Titel: 291 - Die heilige Stadt
Autoren: Christian Schwarz
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monatlich auf einem Speicherkristall vorzulegen.
    Meister Chan tippte einen Unterordner an, der mit dem Namen »Rulfan« versehen war. Die dort gelisteten Berichte handelten allesamt von dem weißhaarigen Albino, der ihn so sehr faszinierte. Chan holte sich einige davon auf den Bildschirm und las sie, obwohl er sie fast auswendig kannte.
    Rulfan hatte mitgeholfen, die »Scheußlichen Drei« von Coellen zu besiegen; er hatte eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Nordmänner und gegen die Daa'muren gespielt, und er hatte mit einem gezielten Schuss diesen seltsamen König Arfaar getötet…
    ... und Alastar damit die Arbeit abgenommen. Rulfan hat auch hier entschlossen und klug gehandelt, denn diese kleine Kwötschi von Arfaar war drauf und dran, sogar einige meiner Exekutoren für sich zu begeistern ...
    Chan faszinierte das Schicksal des Albinos und dessen Taten schon seit vielen Jahren. Rulfan schien tapfer und unbeugsam zu sein, aber auch klug und wissend. Trotzdem spielte ihm das Leben immer wieder böse Streiche, vor allem was seine Liebschaften anging. Der Halbbarbar würde für ihn das sein, wonach er sich immer mehr sehnte: ein Gesprächspartner auf Augenhöhe. Auch wenn er niemals ebenbürtig sein konnte.
    Seit Chan aus Agartha zurück war und erfahren hatte, dass Rulfan jetzt ganz in der Nähe eine Burg bezogen hatte, war er von dem Wunsch beseelt, Rulfan hierher schaffen zu lassen. Die Angst vor einer möglichen Enttäuschung, dass sich der Albino doch nicht als Gesellschaft eignete, malträtierte immer wieder wie mit kleinen Nadelstichen sein Unterbewusstsein, doch er schob sie stets zur Seite.
    Chan saß da und starrte an die gegenüberliegende Wand, die das falsche Abbild mächtiger, in Leder gebundener Folianten zeigte. Und fast automatisch tauchte der alte Mann in die Schatten seiner Vergangenheit ein…
    ***
    Februar bis Mai 2401, Meister Chans Erinnerungen
    Chan, seit einigen Tagen siebzehn Jahre alt, stand wie immer eine Stunde vor Tagesbeginn auf, reinigte sich flüchtig und nahm den ersten Zug der Linie AG 4 aus Agartha-Felsengarten zum Zentrum der Welt . Während es in Agartha-Stadt noch ruhig war, fand er in den Vorgärten und Höfen des riesigen Palastes die nie abreißende hektische Betriebsamkeit vor. Gut einhundert Leute waren rund um die Uhr damit beschäftigt, dem König der Welt und den Großen Räten Khoms die Tage und Nächte, die sie im Palast verbrachten, so angenehm wie möglich zu gestalten.
    Einen kurzen Moment betrachtete Chan sinnend die Transportbahn, die lautlos in den kleinen Bahnhof des Palastes einfuhr. Zischend öffneten sich Türen, die Plattformen mit den Waren schoben sich nach außen. Schreie und Anweisungen ertönten, Arbeiter hievten mit Hilfe kleiner Kräne die Warenpaletten auf Energiewagen und steuerten diese durch ein breites Tor in den Bauch des Palastes.
    Der junge Mann strich sein hellgrünes, bis zu den Knöcheln reichendes Obergewand zurecht und eilte dann zu einer unscheinbaren Pforte, die in einen Felsüberhang gebaut war. Aus dem Wächterhäuschen trat ein Soldat, das Lasergewehr lässig geschultert, und musterte ihn mit grimmigem Blick.
    »Morgen«, murmelte Chan und schaute dem Mann in die Augen.
    »Morgen«, erwiderte die Wache, trat zur Seite und wies seinen Kameraden im Häuschen mit einem kurzen Kopfnicken an, das große Holztor zu öffnen. Lautlos fuhr es zur Seite.
    Chan atmete erleichtert auf. Er wusste, dass ihn die Wachen in der Zwischenzeit kannten und anstandslos passieren ließen, aber daran gewöhnt hatte er sich auch nach einem Jahr noch nicht. Unterschwellig erwartete er immer und überall Schwierigkeiten, aber so groß war der Einfluss Lobsang Champas wohl auch wieder nicht. Noch nicht…
    Egal, damit will und kann ich mich im Moment nicht aufhalten…
    Mit einem Expressaufzug fuhr Chan hoch in den Seitenflügel des Palastes, in dem Khoms heranwachsende Kinder ihre Eliteausbildung genossen. Chan ging durch die endlos langen, noch fast leeren Flure. Zwei Hausmeister, die ihm entgegenkamen, grüßten ihn durch leichtes Verneigen ehrerbietig. Die Verhaltensregel schrieb vor, dass Khoms heranwachsende Kinder mit einem näselnden »Buddha mit euch« zu antworten hatten. Chan tat es und wies die beiden gleichzeitig an, ihm warme Yakmilch in den Lernraum zu bringen, obwohl das eigentlich nicht zu ihren Aufgaben gehörte. Trotzdem konnten sie sich nicht widersetzen.
    Chan grinste, als einer von ihnen die dampfende Köstlichkeit, die sehr
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