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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens
Autoren: Jana Paradigi
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meine Frau und du wirst es ohne Kopf wieder nach Hause schaffen müssen«, zischte er durch die zusammengebissenen Zähne.
    Doch der Geistliche lachte nur leise amüsiert auf. »Vergiss nicht, wer hier wen gerufen hat. Weißt du überhaupt, welches Risiko ich in Kauf nehme, hier an den Toren aufzutauchen, wo man mir doch unter Androhung des Todes verboten hat, mich je wieder zu nähern?«
    »Ich habe dir gesagt, dass ich dieses Urteil aufheben werde, sobald ich…« Baran stockte und schloss die Augen, als er den Stich in der Brust spürte, den seine eigenen Worte ihm verursachten. Jetzt hatte auch er es ausgesprochen - er hatte Pläne geschmiedet, die auf Elinjas Tod aufgebaut waren.
    »Sobald du an der Macht bist, wird sich das Blatt zum Besseren wenden«, ergriff der Hodschatoleslam den losen Faden und half, ihn wieder an einer heileren Stelle anzuknüpfen. »Du wirst uns rehabilitieren und als offizielle Berater und Bevollmächtigte im Namen Allahs einsetzen.«
    »Das ist zu viel verlangt!«, brauste Baran auf.
    Doch der Hodschatoleslam ließ sich nicht beeindrucken. »Wir bringen große Opfer für diese Sache, indem wir unser neues Heim aufgeben und wieder zurück in diese Seuchenstation ziehen.«
    Baran wusste, wie sehr das gelogen war. Man sah es dem Geistlichen an, roch es sogar, in welch erbärmlichen Zuständen sie seit ihrer Verbannung hausten. Nur durch die heimliche Unterstützung einiger Gläubigen, die sich immer wieder aus der Zeltstadt schlichen, um ihnen Verpflegung zu bringen, konnten sie überleben.
    Die Forderungen waren anmaßend. Unverschämt. Und doch sah Baran keine andere Möglichkeit. Er wollte, dass sein Kind trotz der Verhältnisse nicht wie in der Steinzeit aufwuchs. Es mochte genug im Verbund geben, die grundlegende Dinge beherrschten und vielleicht auch unterrichten konnten. Aber wahre Bildung hatten nur die Priester und Oberen genossen. Wie anders sollte also sein Kind davon profitieren als so?
    Der Geistliche nickte, als hätte er Barans Entscheidung schon an seinem Gesicht ablesen können. »Also wann wird es so weit sein?«
    Baran schluckte und seine Stimme klang gebrochen, als er nach einer Weile erst antwortete. »Das Kind hat noch einige Wochen Zeit, doch Elinja wohl nicht.«
    »Siehst du? Eine Fremde ist sie, die nichts richtig machen kann«, zeterte der Hodschatoleslam.
    Die Hand des Anführers der Zeltstadt schnellte vor, packte den Alten am Hals und drückte zu, bis aus dem aufgeschreckten Schrei ein leises Röcheln wurde und die Hände, die sich zu befreien versuchten, ermattet herabsanken. Dann erst, in allerletzter Sekunde, löste er den Griff.
    »Wagst du es noch ein einziges Mal, Elinja schlecht zu machen, wirst du hier und jetzt sterben«, knurrte er ihm entgegen. Und diesmal hatte sein Gegenüber mehr als deutlich seine Worte verstanden und zog sich in leicht gebückter Haltung zurück.
    Baran jedoch stand noch lange auf dem kleinen Hügel und sah in schwermütige Gedanken versunken in die Ferne. Hatte er das Richtige getan? Was passierte, wenn Elinja ihm ein Mädchen gebar?
    Erst als das Treiben in seinem Rücken die übliche Lautstärke erreicht hatte, die ein Tag im Leben der kleinen Gemeinschaft mit sich brachte, schob er die Lampe zurück unter seinen Umhang, machte kehrt und ging zurück, um nach seiner Frau und dem Ungeborenen zu sehen.
     
    Kaum eine Woche später war es so weit. Elinja lag im Sterben, und noch hatte sie das Kind nicht geboren.
    Baran rang mit den Tränen, als er vor der Tür zur im Zelt eingerichteten Krankenstation stand. Welcher Gott war so grausam, dass er ihm sein ganzes Glück nach so wenigen Monaten wieder aus den Händen riss?
    Trotzdem war er dankbar. Dankbar für die wenigen Momente. Und an die versuchte er sich nun zu klammern, als er die Tür aufschob.
    Elinja lag abgetrennt von den anderen Seuchenopfern, von denen es von Tag zu Tag mehr zu geben schien. Man hatte sie mit über Schnüre gespannte Decken voneinander abgeschirmt. Doch das Stöhnen und Röcheln, das Weinen und Flehen hatte man nicht aussperren können. Elinja selbst ertrug die Krankheit mit einer Würde, die sie in Barans Augen noch schöner und noch begehrenswerter machte, als sie es eh schon immer für ihn gewesen war.
    Bei ihr fiel es ihm leicht, die Deformierungen und die schleichende Transformation zu übersehen und sie ehrlich anzulächeln. »Du siehst gut aus, mein Stern. Deine Wangen wirken, als wäre sie von zarten Rosenblättern gestreift worden.«
    Elinja
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