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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens
Autoren: Jana Paradigi
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öffnete die Augen und sah ihn aus erlöschenden Diamanten an, während sie mit geöffnetem Mund und der letzten verbliebenen Kraft zu atmen versuchte.
    Baran rang mit sich. Es fiel ihm unendlich schwer, sie so daliegen zu sehen. Es war an der Zeit. Er sah es in ihrem Blick, dass sie ihm zustimmte. Und wieder spürte er die Last der Verantwortung, die man in seine Hände gelegt hatte, und meinte davon erdrückt zu werden.
    Er musste es sagen, musste den Befehl geben. Musste… aber er konnte nicht. Stattdessen griff er nach einem der Tücher, die in der Wasserschale neben dem Bett lagen, wrang es leicht aus und drückte es sanft gegen die flatternden Hautschuppen an Elinjas Hals.
    Ein leises Seufzen erklang aus ihrem geöffneten Mund, gefolgt von diesem schrecklichen Gurgeln, das ihm eine Gänsehaut über den Körper trieb. Und da sah er ein, dass er sie nicht länger leiden lassen konnte. Weil es ihr Schmerzen bereitete und weil es ihrem gemeinsamen Kind schaden würde, wenn es nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt würde.
    Er legte das Tuch beiseite, sah ihr noch einmal tief in die Augen, beugte sich vor, setzte einen Abschiedskuss auf ihre Stirn und nickte schließlich. »Dann soll Elinjas letzter Atemzug der erste unseres Kindes werden.«
     
    Er hielt noch ihre Hand, als sie sie betäubt hatten, hielt sie, als ihr Bauch aufgeschnitten wurde und sein Sohn das erste spärliche Licht der neuen Welt erblickte, und er hielt sie, als ihr Körper längst erschlafft und ihre Seele hinüber gewandert war.
    Als man ihm seinen Sohn schließlich gewaschen und in saubere Tücher eingehüllt brachte und in die Arme legte, erhob er sich stumm und wanderte die Gänge entlang durch den Zeltbau, bis er die Manege erreichte.
    Sein Gesichtsausdruck reichte schon aus, um die Seilkünstler zu vertreiben. Allein mit seinem Sohn durchschritt er das Rund, ließ sich schließlich auf die tiefhängende Trapezschaukel nieder und wiegte sein Kind sanft hin und her. »Khalil sollst du heißen, so wie es deine Mutter sich gewünscht hat. Und so wie jeder männliche Nachkomme unserer Familie diesen Namen tragen wird vom heutigen Tage an.«
    Das sollte das Erste und Letzte sein, was er als Vater und neuer bevollmächtigter Anführer der Zeltstadt entschied.
    Als Baran den Kopf hob und zum Zuschauereingang blickte, sah er sie kommen, und diesmal blieben sie. Die alten und neuen Herrscher des Landes.
    ***
    Zirkus der Hoffnung, Februar 2527
    Kaum dass die Säbelklinge den Hals des Jungen auch nur berührt hatte, erstarrte Khalil Vahidi in der Bewegung und ließ die Knochensäge fallen.
    Matt hatte mit seiner verzweifelten Vermutung richtig gelegen: Der Junge war Khalils Sohn, und selbst dem Fischmenschen schien diese Verbindung etwas zu bedeuten. »Pfeif deine Kumpane zurück!«, befahl Matt mit ruhiger Stimme und zog den Kleinen noch ein bisschen näher an sich heran. Er war sich natürlich vollkommen im Klaren darüber, dass es aus sein würde, wenn die Fischmenschen ihn trotzdem angriffen. Dem Jungen tatsächlich ein Leid anzutun brachte er nicht übers Herz, und es hätte ja auch nichts genutzt.
    Aber seine Drohung wirkte.
    Einen Augenblick später waren seine Gefährten frei und, wie Matt aus den Augenwinkeln feststellte, allesamt mehr oder minder unverletzt.
    »Was immer du willst, werden wir tun, nur lass mein Kind am Leben«, flehte der Direktor und sank geradezu theatralisch auf die Knie.
    Matt nickte Rulfan und Alastar, Aruula und Xij zu. In ihren Gesichtern las er nur das eine: Weg hier, so schnell wie möglich! Von Zirkusspaß und Clowns hatten sie alle die Nase mehr als voll.
    »Wenn alle vernünftig und ruhig bleiben, wird dein Sohn leben«, sagte er an Vahidi gewandt. »Als Erstes bringt uns unsere Kleidung und Waffen. Außerdem brauchen wir Proviant und Wasser für eine Woche. Lass beides zum Luftschiff schaffen. Je schneller das erledigt ist, desto eher kannst du deinen Sohn wieder in die Arme schließen.«
    Nachdem sie ihre Sachen angelegt und ihre Waffen verstaut hatten, machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Luftschiff, in respektvollem Abstand verfolgt von einer großen Schar Fischmenschen. Unten an der Strickleiter hielt Matt weiterhin den Jungen fest im Griff, während seine Gefährten die Sprossen emporstiegen. Der Zirkusdirektor stand ihm gegenüber und trat nervös von einem Bein aufs andere.
    »Ihr solltet eure kranke Einstellung zum Leben echt noch mal überdenken«, meinte Xij zum Abschied und kletterte
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