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Versteckt wie Anne Frank

Versteckt wie Anne Frank

Titel: Versteckt wie Anne Frank
Autoren: Marcel Prins , Peter Henk Steenhuis
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Vorwort
    In diesem Buch stehen die Geschichten von vierzehn Menschen, die im Zweiten Weltkrieg untertauchen mussten, weil sie Juden waren. Für Adolf Hitler, den Vorsitzenden der NSDAP , waren die Juden die Ursache allen Übels auf der Welt. Darum sollten sie vernichtet werden.
    Meine Mutter war eine von ihnen. Sie war damals – im Sommer 1942 – fast sechs Jahre alt. Als Kind schon war ich neugierig auf ihre Geschichte vom Untertauchen. Sie erzählte mir, was damals geschehen war. Vor allem von den Situationen, die spannend waren, oder in denen sie Angst hatte oder traurig war, hinterließen einen tiefen Eindruck bei mir.
    Als ich mich später näher mit anderen Untertauchern beschäftigte, entdeckte ich, wie unterschiedlich all ihre Geschichten verlaufen waren. Und dass die meisten Untertaucher den Krieg nicht überlebt hatten, weil sie verraten oder bei Razzien entdeckt worden waren. Das bekannteste Beispiel ist Anne Frank, deren Tagebuch auf der ganzen Welt gelesen wird. Meine Mutter hatte Glück.
    Aber wie ging das eigentlich, untertauchen? Wohin sollte man? Wem konnte man vertrauen? Woher bekam man das Geld, um das Untertauchen zu bezahlen? Was machte man, wenn man Angst hatte? Solche Fragen habe ich Männern und Frauen gestellt, die im Krieg Jungen und Mädchen waren. Von ihren Erfahrungen liest du in diesem Buch.
    Zu diesem Buch gehört auch eine Website:
www.verstecktwieannefrank.de.
    Dort sieht man Animationsfilme und hört Teile der Geschichten, wie sie mir erzählt wurden. Und dort sind auch Fotos der Kinder, wie sie heute aussehen, zu finden.
    Auf dieser Karte sieht man, wo in den Niederlanden die Jungen und Mädchen aus diesem Buch untergetaucht waren. Manchmal war es nur eine Adresse, meistens jedoch mehrere. Bei einem Jungen waren es sogar zweiundvierzig!

    Auch die Karte befindet sich auf der Website. Du kannst einfach einen Ort auf der Karte anklicken und dir anhören und ansehen, welche Geschichte sich dort abgespielt hat. Hör mal rein und lies selbst!
    Marcel Prins

Die Sterne sind verschwunden

    Rita Degen,
geboren in Amsterdam am 25. Dezember 1936
    1939, als ich drei Jahre alt war, wurde mein Vater zum Militär einberufen. Die Truppen lagerten in der Nähe einer wichtigen Verteidigungslinie, der Grebbelinie. Meine Mutter und ich fuhren zweimal mit dem Zug dorthin. Mein Vater war da mit einer Gruppe Soldaten, alle in Uniform. Das sah seltsam aus, fand ich. Sie waren auf einem großen Bauernhof untergebracht. Wir konnten in einem eigenen Zimmer übernachten. Mir gefiel es ganz gut dort.
    Als der Krieg ausbrach, musste er mit seinem Regiment Richtung Grebbeberg vorstoßen. Dort fanden schwere Kämpfe statt, überall gab es Tote und Verletzte. Das geht völlig schief, dachte er. Woraufhin er sein Fahrrad nahm und nach Amsterdam zurückfuhr. Mitten in der Nacht kam er an, ohne Gewehr und ohne Bepackung. Die hat er wohl irgendwo zurückgelassen.
    Mein Vater wollte immer ganz genau wissen, was um ihn herum vorging, auch später im Krieg. Darum suchte er sich eine Stelle beim Judenrat 1 , der in Amsterdam 1941 im Auftrag der deutschen Besatzungsmacht zur Vertretung der jüdischen Gemeinschaft in den Niederlanden gegründet worden war. Bei einem der ersten Transporte aus Amsterdam hatte er Wachdienst. Was er dort sah, veranlasste ihn, mich sofort untertauchen zu lassen. In derselben Woche sind auch meine Eltern untergetaucht. Mein Vater hatte sich bereits um alle Untertauchadressen gekümmert, nicht nur für uns, sonder auch für seine Eltern und für alle Geschwister meiner Mutter. Sie haben sie nicht genutzt. »Es wird schon nicht so schlimm werden«, sagten sie.
    Kurz nachdem meine Eltern untergetaucht waren, wurde ihre Wohnung im Amsterdamer Stadtbezirk Oud-Zuid (Alt-Süd) »gepulst«. Die Firma von Abraham Puls räumte im Auftrag der Deutschen Wohnungen von Juden, die untergetaucht oder bei einer Razzia aufgegriffen worden waren. Wir hatten Glück: Unsere Nachbarn, gute Leute, die einen Schlüssel zu unserer Wohnung hatten, nahmen zuvor alles mit, was sie tragen konnten, und versteckten es. Nach dem Krieg bekamen wir zumindest unsere Fotos zurück, eine Besteckkassette, eine Statue und eine Uhr.
    Mein erstes Versteck war in Amsterdam, beim Chef meines Vaters. Er war Jude, aber seine Frau nicht – eine solche Mischehe schien anfangs recht sicher, obwohl es dennoch gefährlich war, dass sie ein jüdisches Mädchen aufnahmen. In dieser Zeit wurde mir erstmals klar, dass ich Jüdin war, ohne
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