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2888 - New York gegen uns

2888 - New York gegen uns

Titel: 2888 - New York gegen uns
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wo die vor drei Jahren eingebürgerten Eltern Yanelas inzwischen wohnten. Sie waren freie Bürger unseres Landes und konnten sich überall aufhalten, ohne jemandem darüber Rechenschaft ablegen zu müssen.
    Ich bemerkte einen feinen silbrigen Schimmer unterhalb der rechten Hüfte der Toten und wollte Phil darauf aufmerksam machen, als die Gerichtsmedizinerin eintraf. Dr. Maureen Gaynard und ihre beiden Assistentinnen trugen weiße Overalls und wasserdichte Stiefel wie alle anderen Anwesenden. Wir kannten uns, brauchten uns nicht mit Vorstellungsfloskeln aufzuhalten. Dr. Gaynard war eine dunkelhaarige Frau um diev, genoss in Fachkreisen einen hervorragenden Ruf und hatte ein Buch mit dem Titel Die stumme Sprache der Opfer geschrieben. Mehrere Wochen lang hatte es unter den Top Ten auf der Bestsellerliste der Sachbücher gestanden.
    Sie ging neben dem Oberkörper der Toten in die Knie, betrachtete die Wunden und blickte dann zu Phil und mir auf.
    »Daran ist sie wahrscheinlich nicht gestorben«, erklärte sie. »Die Hämatome dürften durch Faustschläge und oder Handkantenhiebe entstanden sein. Auf jeden Fall aber muss sie dadurch schwer beeinträchtigt gewesen sein, vielleicht sogar bewusstlos.« Auch das zeichnete Maureen Gaynard aus; sie vergeudete unsere Zeit nicht mit Selbstverständlichkeiten wie »Die Obduktion wird Genaueres ergeben«, denn letztlich war es logisch, dass sie eine am Tatort oder Fundort getroffene Feststellung jederzeit ändern oder präzisieren konnte.
    »Was ist das?«, fragte ich und deutete auf den Silberglanz, den ich entdeckt hatte.
    Dr. Gaynard brauchte nur kurz hinzusehen, um festzustellen: »Eine Kette. Gehört wahrscheinlich zu einem Schmuckstück.«
    Kurzerhand richtete sie sich auf und wies ihre Assistentinnen an, den leblosen Körper auf den Rücken zu drehen. Weitere Blutergüsse wurden auf dem Oberkörper der Toten sichtbar. Die Gerichtsmedizinerin kniete sich erneut hin und streckte den rechten Arm der toten Kubanerin. Die feingliedrige Silberkette, so zeigte sich, hatte etwa die Länge des Arms und endete in der geschlossenen Faust Yanelas.
    Dr. Gaynard bog die Finger auseinander, und zum Vorschein kam ein wuchtiger silberner Anhänger, der auf den ersten Blick aussah wie ein Kreuz. Doch bei näherem Hinsehen entpuppte sich der Silberschmuck als ein kunstvoll modelliertes Schwert, dessen Spitze tief in der Handfläche der Toten steckte.
    Ich bat den Fotografen des Erkennungsdienstes, eine Serie von Makrofotos von dem Fundstück zu machen – sowohl im augenblicklichen Zustand als auch anschließend, nachdem die Gerichtsmedizinerin es aus der Handfläche herausgezogen hatte. Sie legte es auf ihre eigene Handfläche, damit der Fotograf es von beiden Seiten auf die Speicherkarte bannen konnte. Während einer der Spurensicherer das Silberschwert mit der Kette in einer Plastiktüte verstaute, zeigte der Fotograf Phil und mir das Ergebnis seiner Arbeit auf dem Display der Kamera.
    »Das ist die Vorderseite«, sagte er und tastete die Bildfolge sechs Aufnahmen weiter. »Und hier kommt die Rückseite.«
    »Moment mal«, sagte ich und kniff die Augen zusammen. »Was haben wir denn da?«
    »Vergrößern?«, fragte der Fotograf.
    Ich nickte.
    Er drückte die entsprechende Taste, und der kleine Bildschirm zeigte uns zwei Buchstaben, erhaben aus dem Silber herausgearbeitet.
    »Die Niederlande«, sagte Phil spontan.
    Die beiden eng zusammenstehenden Großbuchstaben lauteten: NL.
    ***
    Es ging auf halb zehn zu, als wir nach Manhattan zurückkehrten. Auch diesmal fuhr ich nicht in die Tiefgarage des Federal Building. Vielmehr benutzte ich den Franklin Delano Roosevelt Drive, um so schnell wie möglich nach Midtown zu gelangen. Ich hatte Glück und ergatterte an der West 48th Street eine Parklücke am Fahrbahnrand, direkt vor einem Laden für Blechblasinstrumente.
    Ich nahm mein iPad mit. Posaunenklänge durchdrangen den Straßenlärm, empfingen uns, als wir ausstiegen. Aus der Tür des Instrumentengeschäfts trat ein schlanker blonder Mann von höchstens Anfang zwanzig, der einer blitzblanken, offenbar fabrikneuen Posaune virtuose Töne entlockte. Leicht und locker spielte er den Trombone Rag , ein Paradestück für Posaunisten von der Militärmusik bis zum Jazz. Die Passanten blieben stehen, auch Phil und ich, und wir klatschten, als der letzte Ton verklang.
    »Sorry«, sagte der Posaunist, als er das Instrument sinken ließ. »Hier im Freien habe ich einen unverfälschten Ton. Das musste
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