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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu
Autoren: Manfred Weinland
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einen Monat lang in einem imaginären Bunker einzusperren, konnte niemand sagen. Am wenigstens Matt Drax selbst.
    Ihm ging es nach den langen Wochen, die er in einem Flüssigkeitstank gelegen hatte, nicht sonderlich gut. Seine Muskeln hatten sich zurückgebildet, die Augen waren geschwollen, und die künstliche Ernährung hatte einen Geschmack im ganzen Körper hinterlassen, den er mit allen Sinnen zu spüren glaubte.
    Was natürlich ein Klacks war gegenüber der Eröffnung, dass die Erlebnisse der letzten Wochen allesamt seiner Fantasie entsprungen waren und seine Traum-Manifestation rund um die Uhr unter Beobachtung stand. Er hatte kurz überlegt, sich die Verantwortlichen zur Brust zu nehmen. Aber dagegen sprachen drei Fakten: Erstens war er so schwach, dass er keinem Kind den Lolli hätte wegnehmen können. Zweitens hatte sein unfreiwilliger Einsatz Schiff und Mannschaft gerettet. Und drittens war eine der führenden Missetäter seine Gefährtin Aruula, ohne die sein Traum-Trip gar nicht funktioniert hätte. Und wie konnte er ihr böse sein?
    Außerdem gab es weit Wichtigeres.
    »Was hat die Suche nach meiner Tochter ergeben?«, fragte er den Mann, der neben seinem Krankenbett stand. »Konnte Tartus einen Erfolg vermelden?« Immerhin war es schon gut zwei Monate her, dass sich sein marsianischer Freund auf den Weg nach Irland gemacht hatte, um Matts unterbrochene Suche nach Ann fortzusetzen.
    Die Art, wie sich Tendon Angelis plötzlich versteifte, wie er nervös von einem Fuß auf den anderen trat, ließ Matt nichts Gutes ahnen. »Reden Sie, Mann!«, begehrte er auf, als Angelis nicht gleich antwortete. »Und wenn es schlechte Nachrichten gibt, ist mir das immer noch lieber als die Ungewissheit.«
    »Es ist nicht, was Sie vielleicht vermuten, Commander Drax!«, beeilte sich der Kommandant zu sagen. »Ihrer Kleinen geht es sicher gut. Nur… wir haben keinen Kontakt mehr zur Mondstation.«
    Matt war für eine Sekunde perplex. »Was bedeutet das?«
    Angelis zuckte die Schultern. »Das wüssten wir auch gern. Seit dem 14. Februar schweigt deren Funkanlage. Wir kennen den Grund dafür nicht. Und wir haben auch keine Möglichkeit, uns Gewissheit zu verschaffen.«
    »Natürlich nicht…«, murmelte Matthew. Schließlich konnte die CARTER IV schlecht umdrehen, um nachzusehen.
    »Wir vermuten einen dauerhaften Ausfall der Anlage«, fuhr der Kommandant fort. »Irgendein Bauteil, für das es auf dem Mond keinen Ersatz gibt. Der Mars ist informiert; man wird die nächste Ablösemannschaft früher losschicken als geplant. Bis dahin aber…«
    »… bleibt das Ergebnis der Suche ungewiss«, vollendete Matt den Satz. Ein Konglomerat widerstrebender Gefühle hatte sich in ihm breitgemacht. Sorge und Hoffnung, Ärger und Erleichterung, Ungeduld und die Gewissheit, dass es lange dauern würde, bis man wissen würde, was auf dem Mond los war.
    Aber all das durfte ihn bei seiner Mission nicht behindern. Es hieß, die Marsregierung von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich gegen den Streiter zu wappnen. Dieses Ziel war zu wichtig, als dass er sich davon ablenken lassen durfte. Die Zukunft der gesamten Menschheit stand auf dem Spiel!
    Der kosmische Zerstörer konnte jederzeit in der Nähe des Sonnensystems auftauchen. Sein Vorbote würde ein Schwarzes Loch sein, das er auf unbekannte Weise etablierte, um es als Einstein-Rosen-Brücke zu missbrauchen. Auf diese Weise überwand die Monstrosität bei Bedarf Lichtjahrhunderte in wenigen Tagen.
    Matt fröstelte beim Gedanken an den Streiter - oder war es doch eher ein Frösteln, das auf die Ungewissheit zurückging, wie es um Ann stand?
    Was war auf dem Mond passiert? Lag es tatsächlich nur an einer ausgefallenen Funkanlage? Commander Matthew Drax hatte in seinen zehn Jahren in dieser postapokalyptischen Zukunft genug erlebt, um automatisch erst einmal den worst case anzunehmen. Und zu hoffen, dass doch alles gut ausging.
    ***
    Die alten marsianischen Namen waren Namen des Wassers und der Luft und der Hügel gewesen. Namen von Schneefällen, die sich südlich in die steinernen Kanäle ergossen und die leeren Seen füllten, und Namen von begrabenen Zauberern und Türmen und Obelisken.
    Ray Bradbury, Die Mars-Chroniken
     
    Graulichts Mars war anders als der seiner Mitmarsianer.
    Ein paar Mal hatte er versucht, dies Lobsang begreiflich zu machen. Er war schon damals, als Grausang sechs Marsjahre zählte, sein Freund gewesen. Dennoch hatte selbst er ihn jedes Mal nur komisch angeschaut und
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