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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu
Autoren: Manfred Weinland
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Matt verstand, was sie sagte. »Ich war so blind - verblendet und selbstsüchtig. Im Gefängnis hatte ich Zeit nachzudenken - da wusste ich noch nicht, wie teuer Hi'schi für meine Dummheit bezahlen würde. Er ist tot, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Hätte ich ihn dort gelassen, wo er war, würde er noch am Leben sein!«
    Matt trat hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern, so wie sie die Hände auf Hi'schis Schuppenhaut gelegt hatte, die grau und farblos wirkte, wie von wochenlanger Wüstensonne ausgedorrt und verblichen.
    Was mochte ihm nur zugestoßen sein? Maya hatte angedeutet, dass dies nicht der erste Todesfall war, der die Ermittler beschäftigte.
    »Wir alle treffen manchmal falsche Entscheidungen«, sagte er. »Wichtig ist, dass wir es erkennen und unsere Lehren daraus ziehen.« Er wusste, wie hohl seine Worte in diesem Moment für Aruula klingen mussten. Aber es schien ihr schon gut zu tun, sie in ihrer vertrauten Sprache zu hören.
    Sie drehte im das tränenüberströmte Gesicht zu und öffnete den Mund, um etwas zu erwidern.
    Aber sie kam nicht mehr dazu.
    Etwas raste von irgendwoher auf sie zu. Unmenschlich schnell und umso bizarrer, weil es sich bei seiner Ankunft als hübsche junge Frau entpuppte -
    - die sich ohne jede Warnung auf Matt warf, ihn von Aruula wegzerrte, zu Boden stieß, sich auf ihn setzte wie ein zähnefletschendes, tollwütiges Tier.
    Matt sah völlig überrumpelt zu ihr hinauf. Er fühlte ihre Hände an seinem Hals. Aber sie machten keine Anstalten, zuzudrücken.
    Staunen breitete sich über ihre Züge. Irgendetwas brachte sie aus der Fassung, mit irgendetwas hatte sie nicht gerechnet. Aber was hatte sie sich erhofft?
    Matt wartete nicht ab, bis sie sich wieder gefasst hatte und vielleicht doch noch daran erinnerte, wie sie ihn umbringen konnte.
    Er holte fast ansatzlos aus. Sein Faustschlag traf sie an der Schläfe. Augenblicklich sackte sie in sich zusammen und rollte von ihm herunter.
    Aruula wollte sich auf das Mädchen stürzen, aber Matt hielt sie mit einer Geste zurück. Er spürte: Dieses Wesen, das den zierlichen Körper nur zur Tarnung zu tragen schien, war gefährlich - auf eine Art und Weise, die er selbst nicht verstand. Matt bezweifelte, es mit einem normalen Menschen zu tun zu haben.
    Plötzlich waren auch wieder Polizisten zur Stelle.
    »Vorsicht«, ermahnte Matt den Mann, der nach Handschellen griff und sich zu der Bewusstlosen hinunterbeugte. »Ich würde nicht…«
    Der Mann zuckte zurück. »Sie… sie löst sich auf!«, rief er.
    »Was?« Mit einem Satz war Matt auf den Beinen. Das konnten doch nicht die Folgen seines Faustschlags sein! Im nächsten Moment taumelte er, brach fast zusammen. Er fühlte sich schwach . Völlig erledigt!
    Aruulas Arme umfingen und stützten ihn. Mit fahrigen Bewegungen scheuchte Matthew jeden, der sich neugierig in die Nähe des Mädchens wagen wollte, zurück. »Nicht näher heran! Es ist gefährlich!« Er selbst blieb mit Aruula dort stehen, wo er es gerade noch glaubte vertreten zu können.
    »Das… das ist seine Mörderin, nicht wahr?«, fragte Aruula.
    Matt zuckte mit den Schultern. Es war möglich, sogar wahrscheinlich. Aber das Mädchen selbst würde die Antwort darauf nicht mehr geben können.
    Die Auflösungserscheinungen wurden immer dramatischer. Ein dünner Faden wie fließendes, gleißendes Wasser strömte aus ihr heraus - und orientierte sich nordwärts.
    Dorthin, wo der Zeitstrahl war.
    Der Zusammenhang, die substanzielle Verwandtschaft war unübersehbar. Ein Strahl wie fließendes Wasser, der sich wand und mit bläulichem Schimmer durch die dünne Luft floss.
    Dies war der Moment, in dem Matthew Drax die Wahrheit durchschaute - wenn auch nicht alle Zusammenhänge.
    Irgendjemand hat Gott gespielt. Oder wohl eher… dessen Widersacher.
    Der bloße Gedanke war lähmend. Dass jemand die ehernen Regeln der Weltenwanderer, von denen ihm Gilam'esh erzählt hatte, missachtet und die Blaupause eines Menschen aus dem Strahl geholt haben könnte.
    Matt wünschte sich, dass es eine andere Erklärung gab.
    Es würde eine Untersuchung geben, und vielleicht würde sie die so genannte Wahrheit ans Licht bringen.
    Aber in diesem Moment - Hi'schis seltsam verdorrte Leiche und die letzten flüchtigen Nebel einer Killerin im Blick - war er sich überhaupt nicht sicher, ob Wahrheit immer und unter allen Umständen etwas so Erstrebenswertes darstellte…
    Matt starrte blicklos auf den glimmenden Faden, der nach
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