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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu
Autoren: Manfred Weinland
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Bleiplatten vor der todbringenden Strahlung des Reaktors…!
    ***
    Sie wohnten in einem Haus aus Kristallsäulen am Ufer eines leeren Sees auf dem Planeten Mars, und jeden Morgen konnte man Frau K sehen, wie sie die goldenen Früchte erntete, die an den kristallenen Wänden wuchsen, oder wie sie das Haus mit magnetischem Staub putzte, den sie mit den Händen ausstreute und der dann vom heißen Wind davongetragen wurde und den Schmutz mitnahm.
    Ray Bradbury, Die Mars-Chroniken
     
    Graulicht kam zu sich. Für einen Moment wusste er nicht, wo er sich befand. Dann dämmerte ihm, dass dies das Häuschen war, das er gemeinsam mit seinem besten Freund angemietet hatte. Und die Geräusche aus dem angrenzenden Trakt verrieten ihm, dass Lobsang wahrscheinlich damit beschäftigt war, irgendein Essen zuzubereiten. Ab und zu drangen Flüche aus dem Nachbarraum. Lobsang hasste es zu kochen, und leider schienen das auch die Lebensmittel, die er verarbeitete, zu spüren. Graulicht konnte sich an kaum etwas Genießbares erinnern, das Lobsang ihm irgendwann einmal vorgesetzt hätte. Deshalb übernahm in aller Regel er die Küchenpflichten.
    Darauf schien Lobsang heute nicht warten zu wollen.
    Ächzend erhob sich Graulicht von dem Sofa der Wohnstube. Sich den Nacken reibend, wechselte er in die Küche. Ihm brummte der Schädel, und seine Augen tränten. Nur ganz langsam kehrte die Erinnerung zurück.
    Der Strahl. Die vorher mit Lobsang abgesprochene Erkundung. Lobsang hatte mit dem Gleiter auf seine Rückkehr warten wollen. Aber Graulicht erinnerte sich kaum noch, den Krater verlassen zu haben. Es war, als hätte er bereits auf dem Weg zu ihm das Bewusstsein verloren.
    Irgendwie waren sie dann hierher gelangt. Hatte Lobsang ihn ins Haus getragen?
    »Hab ein Einsehen mit mir«, seufzte Graulicht, die Stimme rau wie Baumrinde, »und sag, was passiert ist. Ich komme mir vor wie durch die Mangel gedreht. Am liebsten würde ich mich sofort wieder hinlegen und schlafen, schlafen, schlafen.«
    Lobsang hatte sich zu ihm umgewandt, als er die Schritte hörte. Er ließ ihn zwar ausreden, aber dann machte er zuerst einmal seiner schlechten Laune Luft.
    »Ich dachte, du wachst gar nicht mehr auf! Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Ich war drauf und dran, dich in ein Krankenhaus schaffen zu lassen. Was war denn los? Du bist wie im Delirium ins Fahrzeug gestiegen und warst mehr ohnmächtig als bei Sinnen, als ich dich aus dem Gleiter ins Bett geschleppt habe!«
    »Ich erinnere mich… schwach.« Graulicht stützte sich gegen eines der Küchenmöbel.
    »Du bist weiß wie die Wand«, stellte Lobsangfest. »Gleich kippst du mir um!« Er wollte ihm entgegeneilen, aber Graulicht hob abwehrend die Hand. »Geht schon. Halb so wild. Ich fühl mich schon besser. Nur ausgelaugt, als hätte ich den Olympus Mons erklommen.«
    »Ich geb dir jetzt erst mal einen gescheiten Happen zum Abendessen. Wäre das okay für den werten Herrn?«
    »So lange hab ich geschlafen? Wir sind am frühen Vormittag zum Krater gefahren. Dann war ich vielleicht zwei, drei Stunden dort… wie spät ist es?«
    Lobsang schwieg. Graulichts suchender Blick fand den Kalender, der nicht nur Tag, Monat und Jahr, sondern auch die Uhrzeit anzeigte… hielt inne… schaute noch einmal genauer hin und schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein!«
    »Ist es aber.«
    »Ich habe einmal rund um die Uhr flach gelegen?«
    »Flacher als flach. Ich hab nur keinen Doc gerufen, weil dein Puls regelmäßig ging und du offenbar einfach geschlafen hast, nicht ohnmächtig warst.« Lobsang stellte ein Glas mit Fruchtsaft vor ihn hin. »Außerdem hast du immer wieder irgendwelches Kauderwelsch vor dich hin gebrabbelt.«
    Graulicht wurde immer fassungsloser. Er nahm das Glas dankbar an und nippte am Saft… »Pfui! Was ist das denn?«
    »Vitamine.«
    »Du weißt, dass ich Horasfrucht hasse! Sie schmeckt bitter wie die Hölle!«
    »Hat aber nun mal den höchsten Vitaminanteil - also hab dich nicht so und trink. Dein Mageninhalt kann nur noch aus Säure bestehen. Dass dir nicht schlecht vor Hunger ist…«
    »Mir ist schlecht. Aber wenn ich das hier trinke, verliere ich auch noch meine Magensäfte.« Graulicht stellte das Glas weg.
    Lobsang wandte sich wieder seinen Töpfen zu. Aber er mimte nur den Beleidigten. Sie waren Freunde seit frühesten Baumtagen.
    Ohne Lobsang wäre Graulicht heute nicht mehr auf der Welt. Ein Erdrutsch im Wald war ihm zum Verhängnis geworden. Eine uralte unterirdische
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