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258 - Chronik des Verderbens

258 - Chronik des Verderbens

Titel: 258 - Chronik des Verderbens
Autoren: Michelle Stern
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zu entkommen, doch die kleine Hydritin hielt ihn unnachgiebig fest.
    »Du machst dir Sorgen um mich, Gila!«, stellte sie mit großen Augen fest.
    Gilam'esh irritierte ihr schmachtender Blick. Er ahnte eine Falle und fühlte sich plötzlich wie der rote Seestern in seinen Händen: gefangen!
    »Äh… na ja…«, sagte er lahm. »Vielleicht ein wenig?«
    »Ich wusste es!« E'fah ließ seine Hände los und schlang sie um seinen Hals. »Du magst mich!«
    »E'fah!« Gilam'esh versuchte verzweifelt das stärkere Mädchen von sich zu drücken, ohne den Seestern fallen zu lassen. Der Körper der Hydritin war einen Tick schneller gewachsen als sein eigener. Außerdem ist E'fah in all ihren Körpern immer bereiter gewesen, Aggression auszudrücken als ich…
    E'fah schwamm ein Stück von ihm fort. Ihr Mund verzog sich schmollend. »Was? Bist du böse wegen der Sachen, die ich als Herrscherin von Ägypten gemacht habe? Das ist doch altes Schmelzwasser!«
    »Also…«, entgegnete Gilam'esh zögernd, »ein wenig schon.« Er hoffte sie damit auf Distanz zu halten. Ihre Frühpubertät erschreckte ihn. Er konnte nichts Anziehendes an ihr finden.
    »Walross«, schimpfte die Hydritin und schwamm ein Stück davon. An einer großen roten Anemone ließ sie sich in einer Zornhaltung treiben.
    Gilam'esh seufzte innerlich und ließ den zitternden Seestern frei. Behutsam setzte er ihn auf den sandigen Untergrund. Der Stachelhäuter suchte eilig das Weite.
    Ich habe doch auch so schon genug Probleme, da brauche ich keine E'fah, die erste romantische Gefühle entwickelt…
    Eine Schwingung an seiner Seite lenkte ihn ab. Er griff zu der Stelle, wo er als Erwachsener seinen Schockstab getragen hatte. Nun hing dort eine Muschel von länglicher Form, umgeben von bionetischem Gewebe. Gilam'esh griff nach ihr und hielt sie sich an die kleine Einbuchtung seiner rechten Kopfseite. »Clarice?«, fragte er erleichtert über die Ablenkung.
    »Gilam'esh, es ist schon dunkel!« Die Stimme der Marsianerin klang gereizt. »Wir hatten ausgemacht, dass ihr beide bei Anbrach der Dunkelphase wieder im Labor seid, damit wir zusammen zum Schlotweg schwimmen. Du entsinnst dich, großer Prophet?«
    Gilam'esh spürte eine rein körperliche Trotzreaktion, auf die er prompt reagierte, ehe er mit Vernunft gegensteuern konnte. »Behandel mich nicht wie ein Kind, Clarice!«
    »Gilam'esh, du bist im Körper eines Zehnjährigen!«
    »Toll, dass du mich ständig daran erinnerst!«
    »Komm einfach her, in Ordnung? Glaub nicht, dass es mir Spaß macht, die Übermutter zu spielen. Ich habe Besseres zutun.«
    »Ja, ja«, maulte Gilam'esh kindisch - und hätte sich am liebsten sofort auf die Lippen gebissen. Er verhielt sich tatsächlich wie ein Kind. Nie hätte er gedacht, dass der Körper eines Klonkindes sich so gänzlich anders anfühlen würde. Er hatte geglaubt, als Quan'rill über derartige Nichtigkeiten erhaben zu sein. »Wir kommen«, setzte er so ernst er konnte hinzu. Dabei klang er wie ein Kind, das versuchte erwachsen zu klingen. Auch nicht gut. Aber besser, als sich diesem Körper und seinen Hormonen ganz und gar zu unterwerfen.
    Ich will endlich einen erwachsenen Körper! Wer will schon in meinem Alter per Baby-Muschelphon nach Hause bestellt werden! Er steckte die Muschel in die Hüfthalterung seines Gürtels. »Komm, E'fah! Wir müssen zurück.«
    ***
    Skorm'ak lenkte seine Qualle in das algenverhangene Bestiarium. Hier hatte man über Jahrtausende hinweg Seeungeheuer gefangen gehalten, die sich der Eindringlinge annahmen, die den wahren Eingang der Stadt nicht kannten.
    Bei einem heftigen Seebeben vor einiger Zeit hatten einige der Vorzeitmonster entkommen können, wie Skorm'ak wusste. Aber das Bestiarium schien leer zu sein. »Sieht aus, als wären alle Ungeheuer ausgeschwommen.«
    »Um so besser für uns«, merkte Hert'an an. Ihre harte Stimme klang unangenehm laut im Innenraum der wassergefüllten Qualle. »Hak'don? Hast du die nötigen Hilfsmittel?«
    Der angesprochene Hydrit nickte und machte sich daran, einen mehrschlaufigen Rucksack aus einer Seitenwand der Qualle zu lösen. Hak'don trug wie immer eine Muschelschale über dem rechten Auge, das er bei einem seiner Kämpfe verloren hatte.
    Die Mitglieder des Bundes waren sich einig, dass sie nicht versuchen wollten, durch den offiziellen Stadteingang einzuschwimmen. Diesen ließ der Wächter mit Sicherheit überwachen. Stattdessen nahmen sie den Weg durch das Bestiarium und die Wasseraustauschröhre, die
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