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205 - Das Zeichen der Ewigkeit

205 - Das Zeichen der Ewigkeit

Titel: 205 - Das Zeichen der Ewigkeit
Autoren: Stephanie Seidel
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konnte sagen, ob alles mit rechten Dingen zuging bei Kerlen, die sich bunter kleideten als jede Frau?
    Der Soldatenführer summte vergnügt vor sich hin.
    Vielleicht hatte er ja seinen Widersacher überhaupt falsch eingeschätzt! Tief im Inneren war da immer ein wenig Furcht gewesen, wenn er Nasrallah begegnete, denn der Mann mit der sanften Stimme trug ein beeindruckendes Waffenarsenal am Gürtel, und die Klingen sahen nicht aus, als wären sie Zierrat.
    Doch heute hatte er Schwäche gezeigt. Er hatte sich beleidigen lassen und war tatenlos davon geritten, hatte sogar noch eine Wette angeboten. Ramid nickte entschlossen.
    Er würde Nasrallah nie wieder fürchten.
    Einen Moment hielt er inne, um sich über die schweißnasse Stirn zu wischen. Als er den Arm wieder senkte, lag ein Schatten auf den letzten Kupfermünzen, und Ramid streckte schnell die Hand nach ihnen aus. Er dachte, ein Mitglied seiner Truppe hätte sich neugierig angepirscht. Doch was ihm dann mit aller Härte auf die Finger trat, war ein Stiefel, und die gab es nicht in der Armee.
    »Du wolltest mich demütigen«, sagte Nasrallah. »Obendrein vor meinen eigenen Leuten. Das war unklug.«
    Er lächelte dabei, was den abseits stehenden Soldaten das Bild einer harmlosen Begegnung vermittelte. Sie konnten nicht sehen, dass der Berba nach und nach sein ganzes Gewicht auf den einen Fuß verlagerte; sie hörten nicht, wie Ramids Finger zu knacken begannen, und sie merkten auch nicht, dass ihr Anführer leise wimmerte.
    Nasrallah beugte sich herunter und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Wage es nie wieder, mich so zu behandeln!«, warnte er, und seine feurigen dunklen Augen spiegelten sich in Ramids Tränen.
    Abrupt wandte er sich ab und kehrte zu dem wartenden Zarak zurück.
    »Ach, übrigens«, sagte er, als er wieder im Sattel saß und den tänzelnden Hengst ein paar Schritte rückwärts gehen ließ.
    »Du wolltest doch wissen, was ich fordern werde, wenn du die Wette verlierst.«
    Ramid hatte sich eilends erhoben. Er massierte seine schmerzenden Finger, während er den Berba anraunzte: »Und? Was willst du haben?«
    Nasrallah trieb seinen Hengst auf gleiche Höhe, lehnte sich vor zu Ramid und antwortete lächelnd: »Dein Leben!«
    Dann zog er das Pferd herum und ritt davon.
    ***
    Morgenröte strich über die Flanken der uralten Stufenpyramide; sacht nur, wie liebkosend. Als wollte das zarte Himmelslicht wieder gutmachen, was die Zeit dem einst so prächtigen Bauwerk angetan hatte.
    Einige der verwitterten, bröckelnden Steinquader trugen noch Spuren des Geschehens der letzten Nacht: verkeilte Fackelreste, Russstreifen, Blut. Im Sand zu Füßen der Mastaba lag eine vergessene Kupfermünze, und ein Stück abseits unter den Dattelpalmen, wo die königlichen Reittiere gestanden hatten, arbeitete ein summendes Fleggenheer an der Beseitigung der stinkenden Hinterlassenschaften.
    Nasrallah ben Kufri und seine Krieger waren längst nach Harankash heimgekehrt, ihrer geheimnisvollen Oase in den Tiefen der Wüste. Ramid, der rundliche Soldatenführer, holte seinen verlorenen Schlaf in El Nazeer nach, der Garnisonsstadt am Westufer des Nils. Das Gold aus der Beute der Räuber befand sich bereits auf dem Weg zum Königspalast, und die Goldräuber selbst waren – zumindest teilweise – in der Nacht auf eine letzte Reise gegangen. Zwischen den Zähnen der Schakaals.
    Stille hatte den Ort des Todes zurückerobert, und der beständige heiße Wüstenwind strich glättend über den Sand.
    Ein paar Stunden weiter, dann würde das Jahrtausende alte Pharaonengrab, dessen letztes Geheimnis noch immer nicht entdeckt worden war, erneut im Schlaf des Vergessens versunken sein. Ein neuer Tag begann, und das Land am Nil sah ihm gelassen entgegen. Alles war in bester Ordnung.
    Noch.
    Hunderte Meilen weiter nördlich, dort wo die Brandung des Mittelmeers sich donnernd gegen die Gestade warf, wanderte in diesen Minuten ein merkwürdiger Schatten übers Wasser. Er gehörte der PARIS, der Rozière des afrikanischen Prinzen Victorius. Vorgeblich war das Luftschiff auf dem Weg ins Reich des Kaisers Jean-François Pilâtre de Rozier. Allerdings lag dieses Reich viel weiter südlich, am Victoriasee.
    In der Gondel unter dem rotblauen Ballon stand de Roziers Sohn Victorius am Steuer, die Hände um die Holzstreben gekrallt, und er sah aus, als hielte er eine Waffe umklammert.
    Tatsächlich war der Prinz bereit – mehr als bereit! –, das schwere Gebilde aus seiner Verankerung zu
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