Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Wasser und Nahrung brauchten.«
    »Gut.« Der Greis schlug mit seiner knochigen Faust auf die Armlehne des Rollstuhls. »Dann nehmt Wasser und Datteln und verschwindet. Die beiden Waffen lasst hier.«
    »Die beiden Waffen lasst hier«, echote es aus der Menge der Männer und Frauen.
    »Die beiden Waffen?« Aruula geriet in Verwirrung. Mit dem Säbel zeigte sie auf die Lanze, die sie vor dem letzten Angriff weggeworfen hatte. »Diese hier?«
    »Nein. Die Wandelechse und den Pflanzenbastard.« Der Greis deutete zuerst auf Grao’sil’aana und dann auf Daa’tan. »Wir kaufen sie.«
    »Die Echse und den Bastard.« Auch aus der Menge zeigten Finger auf den Daa’muren und den Riesenbusch. »Gekauft.«
    »Wir brauchen sie«, erklärte der Greis. »Die Yassiriten, Muhammaditen, Achmediten und Zahiriten werden zu Hunderten zurückkehren, um ihre Krieger zu rächen. Wir brauchen die beiden Waffen. Bezahlt haben wir schon, mit unseren Datteln und unserem Wasser. Und nun geh zu dem Schwarzen und verschwindet.«
    Die Wut stieg Aruula in den Kopf. »Kommt nicht in Frage!«
    Mit dem Säbel deutete sie auf den Dornbusch. »Da drin hängt mein Sohn fest. Ohne ihn gehe ich hier nicht fort.«
    Der Greis fixierte sie aus hellblauen Augen. Plötzlich hoben seine Leute wie ein Mann ihre Bolzenpfeilgewehre. »Giftig«, sagte der Greis. »Diazepam.«
    »Diazepam«, wiederholten seine Krieger und Kriegerinnen im Chor und einige klopften auf ihre klobigen Gewehrläufe.
    Giftpfeile also. Ohnmächtige Wut erfüllte Aruula. Auf einmal sah sie, wie Titana aufflatterte und sich auf Grao’sil’aanas Oberarm niederließ. Sie kroch unter seine Achselhöhle. Fast im selben Moment verformte sich die Gestalt des Daa’muren. Er wurde zum wiehernden Mähnentier und nahm gleich darauf den Körper einer nackten Menschenfrau an.
    Aruula war es, als würde man ihr eine schwarze Binde von den Augen reißen…
    ***
    Anfang September 2523
    Er konnte sich zunächst an nichts erinnern, als er die Augen aufschlug. Nicht an den Ort, an dem er erwachte, nicht an die Stunde, zu der er sich schlafen gelegt hatte, nicht an seinen Namen, nicht an seine Mutter. Nicht einmal an das Wort für den Körperteil, den er jetzt versuchte anzuheben, um sich seine verkrusteten Augen auszuwischen.
    Er schaffte es lange nicht, und als es ihm dann endlich gelang, den betreffenden Körperteil bis zu seinen Augen zu bewegen, sah er, dass dessen Ende aus fünf… Dingern bestand. Damit rieb er sich Kruste, Schleim und Wasser aus den Augen.
    Seltsam – daran, dass Augen »Augen« genannt wurden, erinnerte er sich. Vielleicht weil sie seinem… Gehirn? näher waren als das Körperteil mit den fünf… Gliedern am Ende.
    Glieder! Genau! Oder…?
    Auch, dass die Anzahl der Glieddinger mit dem Wort »fünf« – ein Zahlwort übrigens – korrekt wiedergegeben war, zweifelt er nicht einmal an.
    Glieddinger. Skispringer. Ringfinger. Fünffinger. Goldfinger.
    Finger! Natürlich, so hieß das. Und das Körperteil, an dem sie hingen, hieß… Arm. Falsch: Hand.
    Er ballte sie zur Faust und stieß sie nach oben. Nach dreißig…
    Zentimetern endete die Welt. Eine Mauer. Eine Wand. Ein Dach. Alles falsch: ein… Fundament? Viel einfacher: ein Deckel. Ein Sargdeckel! Das Wort wirkte wie ein Magnet und zog Dutzende von Assoziationen an: Sargdeckel, Schneewittchensarg, Schlaf, Prinz, Rechner, Smith, Scheich…
    Plötzlich wusste er, wo er war und wer ihn geweckt hatte.
    Aus irgendeinem Grund fanden seine Finger wie von selbst die Taste, um die Verriegelung von innen zu öffnen. Wenn seine Finger ihm doch bloß besser gehorchen würden, so wie früher…
    Früher – was für ein Wort!
    Scheich, Leibarzt, Anti-Aging, Nobelpreis, Awakian, Georgios…
    Endlich war ihm sein Name wieder eingefallen, und jetzt sprang auch der Deckel des Schneewittchensarges auf. Er fasste dessen Ränder, zog sich hoch, rutschte ab, versuchte es wieder; und wieder und wieder und wieder. Bis er mit dem Oberkörper über dem Rand der Schlafwanne hing.
    Schummriges Licht erfüllte den Raum. Staub lag in dicker Schicht über allen Leuchtkörpern und über der zentralen Röhre mit dem Prinzen, dem Rechner. Alle Schneewittchensärge in seinem Blickfeld – neun insgesamt – standen offen, bis auf einen: der rechts neben seinem, die Schlafwanne seiner Frau.
    Eine Staubschicht bedeckte sie.
    »Alice…«
    Mit einem Schlag war alles wieder präsent: Der Tag des Kometeneinschlags, die Explosion der Helikopter oben in der Oase,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher