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203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle
Autoren: Jo Zybell
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an, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. Eine Flut von Bildern und Empfindungen überschwemmte sie mit einem Mal – sie spürte Wut und Triumph, Hass und Angst, und sie sah Gestalten und Gesichter, Kinder und Greise, Tote und Neugeborene. Auch Bilder von gläsernen Kästen, in denen Menschen lagen: eine durchsichtige Säule voller roter, zu Spiralen gewundener Schläuche, bärtige Männer in weißen Kleidern, einen dürren großen Mann mit grauen Locken… und die Glubschaugenfratze des schrecklichen Smythe. Sie sah Frauen in schwarzen Kutten, einen Panzer, den glühenden Kristofluu, brennende Helikopter, und Dinge, die sie nicht benennen oder nicht fassen konnte.
    »Was ist, Mutter? Hast du Schmerzen? Warum stöhnst du so laut?«
    Von weit her drang die Stimme ihres Sohnes an ihr Ohr, doch Aruula dachte nicht einmal daran zu antworten. Vollkommen verstrickt und verwoben war sie in Tausende von Bildern, die nichts mit ihrem Leben zu tun hatten.
    Sie verstand plötzlich, dass sie lauschte – obwohl sie gar nicht lauschen wollte. Und der Geist, den sie belauschte, war der übergroße Geist, den sie spürte, seit sie in dieser Oase gelandet waren…
    ***
    8. Februar 2012
    »Unser Vater öffnet mir und meinen Brüdern den Bunker?«, hörte Awakian die Stimme des anderen nach Sekunden ungläubigen Schweigens aus dem Mobiltelefon tönen.
    »Wie könnte er einem Ben Ulashi die Tür weisen? Noch dazu seinem eigenen Sohn?« Unentwegt fixierte Ali den Professor.
    »Und die sechs Plätze in dieser Tiefschlafanlage? Und die Ungläubigen?«
    »Du bekommst zwei Schlafzellen, so war es geplant und so wird es jetzt, wo du Allah sei Dank zurückkehrst, auch geschehen!«, sagte Ali mit sanfter Stimme.
    Awakian dachte an seine Frau Alice. Das Bild ihres im Schlaf lächelnden Gesichtes schnürte ihm das Herz zusammen. Seine Knie begannen zu zittern.
    »Ich verlange sechs Schlafzellen!«, tönte die fordernde Stimme aus dem Handy. »Und ich verlange, dass die Ungläubigen aus dem Bunker gejagt werden!«
    »Du erhältst zwei Schlafzellen!« sagte Ali freundlich aber entschieden. »Über alles andere reden wir gemeinsam mit Vater, wenn du mit deinen Brüdern im Bunker angekommen bist.«
    Der alte Offizier packte den einzigen Stuhl im Unterstand, stellte ihn hinter Awakian und drückte den Zitternden auf die Sitzfläche.
    »Sechs Schlafzellen!« Yassir Ben Ulashis Stimme bebte vor Ungeduld. »Sechs Zellen, und die Ungläubigen müssen verschwinden! Es sei denn, sie bekennen, dass Allah der Einzige ist und Mohammed sein Prophet!«
    »Du merkst doch, dass wir dir die Hand ausstrecken, mein Bruder, oder etwa nicht?« Ali blieb vollkommen gelassen.
    »Vater ist so froh, dass du zurückkehrst! Lass deine Männer landen, Yassir! Starte du zur Oase. Ich erwarte dich, und die Familie wird dich mit offenen Armen wieder aufnehmen. Unten im Bunker dann, gemeinsam mit Vater und den Brüdern, werden wir über alles in Ruhe reden!«
    »Gut. Doch ich verlange sechs Schlafzellen! Und von den Amerikanern das Bekenntnis zum wahren Glauben!«
    »Wir finden einen Weg, Yassir! Glaub mir, wir finden einen Weg!« Ali Ben Ulashi setzte das Gerät ab. »Sagen Sie den beiden Kampfhubschraubern, dass sie landen können, und informieren Sie unsere Leute!«, befahl er dem Offizier, ohne seinen Blick von Awakian zu wenden.
    Der Grauhaarige nahm Kontakt mit den Helikoptern auf und erteilte die Landeerlaubnis.
    Der Mann an der Ortung stand auf, schenkte Wasser aus einer Plastikflasche in einen Kunststoffbecher und brachte ihn zu Awakian. Der bedankte sich und trank. Wie ein halb Betäubter hing er auf seinem Stuhl. Der Offizier und seine Männer beobachteten ihn mit sorgenvollen Mienen.
    Noch immer blickte Ali dem Amerikaner ins Gesicht.
    Sekundenlang sprach keiner ein Wort. Außerhalb des Unterstandes schwoll das Rotorengehämmer an. Windböen schüttelten die Wandplanen durch.
    »Die Kampfhubschrauber sind gelandet«, sagte der Offizier.
    Den Feldstecher vor den Augen, spähte er zum Sichtschlitz aus dem Unterstand hinaus.
    »Sie haben mir von Anfang an misstraut, nicht wahr, Professor Awakian?« Der Mediziner nippte an seinem Wasser und schwieg. »Sie mögen mich nicht besonders, habe ich Recht?« Er lächelte spöttisch. »Und Sie gehören zu den Leuten, die einem Börsenmakler nur mit zusammengebissenen Zähnen die Hand schütteln können.« Sein Lächeln gefror. »Sie antworten nicht. Also habe ich ins Schwarze getroffen.« Endlich ließ sein Blick Awakian
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