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203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle
Autoren: Jo Zybell
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los. »Nun, Sie haben Recht. Man sollte einem wie mir niemals trauen. Es sei denn, es geht um Gewinnoptimierung.«
    Awakian fühlte sich leer. Alles war ihm gleichgültig mit einem Mal. Er hoffte, dass der Komet endlich einschlagen würde, und er hoffte, dass dann alles sehr schnell vorbei sein würde.
    »Bewaffnete steigen aus den beiden Helikoptern«, meldete der Offizier.
    »Sind die Transportmaschinen mit meinem Bruder schon gestartet?«, wollte Ali wissen.
    »Sie heben gerade ab«, bestätigte der Mann an der Ortung.
    »Gut.« Ali Ben Ulashi wandte sich an den Offizier. »Hören Sie gut zu, General. Ich will, dass Sie Ihren Leuten auf dem Dach des Pumphauses und an den Stellungen rund um die Oase folgenden Befehl geben: Vernichtet die beiden Kampfhubschrauber und erschießt die bewaffneten Kämpfer!«
    Der Offizier starrte den Sohn des Scheichs an wie eine Erscheinung.
    »Haben Sie mich verstanden, General?«
    Der Grauhaarige nickte.
    »Und Sie wissen, dass der Scheich mir die Entscheidungsgewalt übertragen hat?«
    Der Offizier nickte.
    »Dann tun Sie, was ich Ihnen sage!«
    Der General wandte sich ab und beugte sich über das Funkgerät.
    Awakian glaubte an einen Trick. Misstrauisch beobachtete er Ali und den General. Der Sohn des Scheichs wartete das Ende des in Arabisch gegebenen Befehls ab. Dann erst wandte er sich an die Männer in den weißen Dischdaschas. »Rufen Sie unsere Leute in der Wüste an. Sie sollen die beiden Transporthubschrauber abschießen.« Die Männer rissen Augen und Münder auf. »Schnell!«, blaffte der älteste Sohn des Scheichs. »Machen Sie schon!« Die Männer hängten sich ans Telefon.
    Sekunden später heulten Granaten über den Unterstand hinweg, Explosionen erschütterten den Boden.
    Maschinengewehrfeuer mischte sich in den Höllenlärm. Männer schrien, Kugeln schlugen in Metall ein.
    Awakian kam es vor, als stammten die Geräusche aus einem Film, der ihn nichts anging. Auch die Meldung Sekunden danach rauschte an ihm vorbei. Was hatte es mit ihm zu tun, dass einer der beiden Transporthubschrauber abgeschossen worden war und der andere brennend abgedreht hatte?
    Er wusste nicht, wie viel Zeit er und der Börsenmakler im Unterstand verbrachten.
    Als sie durch die Dattelpalmenschonung zurück zum Gebäude über dem Bunkereingang stapften, standen zwei schwarze Rauchsäulen über zwei brennenden Hubschrauberwracks. Ben Ulashi junior und er sprachen kein Wort miteinander, während der Aufzug sie in die Tiefe trug.
    Kaum hatten sie die Gemeinschaftshalle betreten, fiel die Blonde ihrem Mann in die Arme. Der drückte sie mit sanfter Gewalt von sich weg und ging zu seinem Vater. Awakian lehnte seinen dürren, hoch geschossen Körper in den Türrahmen. Er war maßlos erschöpft und seine Narbe juckte. Er beobachtete, wie Ali Ben Ulashi sich neben den Scheich setzte, das Mundstück der Schischa nahm, das ihm sein jüngerer Bruder Achmed reichte, und schweigend rauchte.
    Auf der Großbildleinwand sprach der saudische König. Kaum gelang es dem Monarchen, seine bebende Stimme zu kontrollieren. Die Anzeige der verrinnenden Zeit am unteren Bildschirmrand verschwamm vor Awakians Augen. Er blinzelte solange, bis er die Ziffern voneinander unterscheiden konnte: Eine Stunde, zwei Minuten und vierunddreißig Sekunden.
    Der König sagte, der Beschuss des Kometen sei gescheitert.
    Mehrere Trümmerteile würden nun bald in die Atmosphäre eintauchen und mit der Erde kollidieren. Die Einschlagsorte waren noch nicht berechnet worden. Und er sagte, dass dies Gottes Wille wäre, und dass man Gottes Willen zu akzeptieren und zu ehren habe.
    Die Menschen in der Gemeinschaftshalle rückten enger zusammen. Viele umarmten ihre unmittelbaren Nachbarn und hielten einander fest, viele weinten. Einige Männer lagen flach auf dem Boden und schlugen ihre Stirn auf den Gebetsteppichen auf. Das Gesicht eines steinalten Imams erschien auf der Großbildleinwand. »Gott ist groß!«, rief er, und irgendjemand antwortete: »Gott ist groß!«
    Als Awakian wieder die Kraft hatte, sich zu bewegen, trennten nur noch achtundfünfzig Minuten und sechs Sekunden die Menschheit von der größten Katastrophe ihrer noch so jungen Geschichte.
    Der Professor verließ die Gemeinschaftshalle und wankte dorthin, wo der Scheich und seine Söhne und wo er selbst bald einen möglicherweise Jahrhunderte langen Schlaf antreten würden: zur CMZ-Anlage.
    »Was ist das schon, ein Weltuntergang«, murmelte er unterwegs vor sich hin.
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