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203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle
Autoren: Jo Zybell
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und Verletzte. Heute Nacht das Sicherheitssystem für die Schlafwanne von Professor Awakian umprogrammiert, auf ein autonomes Segment des Rechners gelegt und mit Sicherheitscodes geschützt. Der Rechner hatte begonnen, sich mit Dr. Awakians Geistesinhalten zu programmieren. Die gleichen Sicherungen werden wir in den nächsten Tagen an Ali Ben Ulashis und Mrs. Awakians Schlafwanne vornehmen. Später auch an denen der arabischen Frauen.
    5.9.2031 – Rechner fordert Eingabe von Zugangscode, verweigert Zugriff auf CMZ-Systeme. Nur die Wanne des Professors können wir noch kontrollieren. Prinz nennt sich jetzt Daujones Ben Ulashi.
    Atemlos überflog Awakian die Aufzeichnungen. Sie lasen sich wie ein Horrorszenario: Der Rechner okkupierte die Hirne sämtlicher Schläfer, außer seinem und Ali Ben Ulashis. Über das CMZ-System hatte er offensichtlich eine Möglichkeit gefunden, einem Schläfer sein Gedächtnis und seine geistige Kraft buchstäblich zu rauben und sich selbst anzueignen. Offenbar – und das musste der Beginn der Katastrophe gewesen sein – hatte er den Turing-Sprung ( nach Alan Turing, brit. Logiker, Mathematiker und Kryptoanalytiker (1912-1954), der die Grundlagen für sich selbst verändernde Programme lieferte ) vollzogen: »Prinz« hatte eigenes Bewusstsein und eigene Persönlichkeit entwickelt und handelte autonom. Und er mästete sich gewissermaßen mit den Persönlichkeiten anderer denkender Wesen.
    Awakian fröstelte. Er las weiter. Irgendwann war Ali Ben Ulashi aufgewacht und hatte seine Brüder aus dem Bunker gejagt.
    Die letzte Aufzeichnung der Smiths stammte aus dem Jahre 2043 und lautete: Ali, der sich jetzt Daujones Ben Ulashi nennt, hat die Bunkereingänge verstärkt und die feindlichen Sippen seiner Brüder tief in die Eiswüste treiben lassen. Bevor er sich wieder schlafen legt, will er alle Männer und Frauen töten, die den Umgang mit Rechnern beherrschen. Das Gemetzel hat bereits begonnen. Wenn wir nicht sterben wollen, müssen wir den Bunker verlassen. Dies wird also unsere letzte Notiz sein…
    Mit diesen Worten endeten die Aufzeichnungen.
    »Wir haben den Lärm gehört, Professor.«
    Awakian fuhr herum. Ein grauhaariger und -bärtiger Mann stand hinter ihm und lächelte spöttisch. »Da dachten wir, dass Sie vermutlich von allein aufgewacht sind.«
    So vertieft war Awakian in die Chronik seiner Assistenten gewesen, dass er den ältesten Sohn des Scheichs nicht hatte kommen hören. Durch die offene Tür huschten Gestalten in weißen Dischdaschas in die CMZ-Zentrale. Alle trugen sie einen Dolch im Gürtel wie Ali Ben Ulashi, und alle grinsten sie in ähnlicher Weise wie er, »Sie haben die Smiths ermordet?« Die Frage entfuhr dem Professor fast ungewollt.
    Ben Ulashi winkte ab. »Schnee von gestern. Und reine Notwehr. Sie hätten einen Weg gefunden, uns auszulöschen.«
    »Uns?«, fragte Awakian verblüfft.
    Der stark gealterte Börsenmakler deutete auf die Männer und Frauen hinter sich und zuletzt auf sich selbst. »Ja, uns, Daujones Ben Ulashi. Uns gefiel die Aussicht nicht, gelöscht zu werden.«
    Awakian glaubte eine Eiskralle sich um sein Hirn schließen zu spüren. Sollte der Rechner etwa auch lebende, wache Menschen beeinflussen können?
    »Wir haben lange überlegt, ob wir Sie nicht auch töten sollten, aber einen derart wertvollen Geist einfach so zu verschwenden?« Ali schüttelte den Kopf. »Das erschien uns unvernünftig.« Der Mann bückte sich, zog eine Schublade auf und entnahm ihr eine Art Haube mit vielen Drähten und Elektroden daran.
    »Leider hatten die Smiths Ihre Wanne gesichert, Professor. Durch die Arbeitsöffnungen konnten wir Sie zwar versorgen, aber nicht wecken. Schwer zu sagen, warum Sie jetzt erwacht sind – es muss mit dem Ende des Dauer-EMP zusammenhängen.« Er setzte dem Professor die Haube auf.
    »EMP?« Awakian war viel zu erschöpft, um den seltsamen Hut abzuwehren.
    »Ja. Eine Nuklearexplosion irgendwo im fernen Osten. Plötzlich ging nichts mehr. Etwa zwei Jahre lang. Zum Glück waren wir zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr auf Chips und Platinen angewiesen.« Mit der flachen Hand schlug Ben Ulashi gegen die Röhrenverkleidung des Rechners. »Das hier ist praktischer.« Er klopfte sich an Brust und Schenkel, und all die anderen im Raum taten es auch. Awakian rang um seine Fassung.
    »Natürlich bleiben wir auf dem Rechner gespeichert. Es ist nämlich durchaus praktisch, ein paar Kopien von sich selbst zu besitzen, finden Sie nicht auch,
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