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2.02 Der fluesternde Riese

2.02 Der fluesternde Riese

Titel: 2.02 Der fluesternde Riese
Autoren: Joachim Masannek
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und sah in den Augenwinkeln, wie Fabi grinste.
    „Warum nur, warum?“, machte er sich über mich lustig, und ich schaute zu Leon.
    „Leon, warum?“, fragte ich ihn verzweifelt, und er wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht.
    „Nun, bestimmt nicht, damit du jetzt heulst“, sagte er streng. Doch er kämpfte dabei selbst gegen den Schock. „Und sie trägt einen Mantel. Also reiß dich zusammen. Sieh doch die Lücke. Verstehst du das nicht? Stell dir vor, was sie unter ihrem Mantel verbirgt. Das ist nicht der Schottenrock, Marlon. Das ist …“
    „Bist du dir sicher?“, fiel ich ihm ins Wort und dachte dabei an das Piratentrikot, das ich Vanessa gegeben hatte.
    „Und ob ich das bin!“, nickte Leon mir zu, und ich wollte ihm glauben.
    Da drückte Lissi den roten Buzzer. Fabi, der schnellste Rechtsaußen, sprintete los, und er war, verfuchst noch mal, schneller geworden. Schneller und wendiger, fast so wendig wie Leon. Ja, er, der früher nur geradeaus laufen konnte, tanzte im Zickzack durch die Stangen. Er hatte eindeutig seine Schwächen trainiert. Er hatte das „Ich-lass-die-Hosen-runter-Spiel“ bestimmt nicht verloren. Aber ich hatte den besten Bruder der Welt.
    Ich lief durch die Schleimbeutelpendel hindurch, als würde es diese glibberigen Säcke, die um mich herumsausten, gar nicht geben. Ich sah nur die Lücken zwischen den Stangen. Da konnten diese noch so bunt sein. Und obwohl ich das Dribbeln nicht besonders mochte … – Ich liebte den Pass und die Kombination. – Ich war Marlon, der Teamplayer, der Ballverteiler. – Ja, obwohl ich mich beim Dribbeln eher so fühlte wie Raban, der Held, als er noch zwei falsche Füße besaß, hielt ich doch mit. Nein, ich war sogar schneller und ging an Fabi vorbei. Ich hörte die Freudenschreie von Maxi und Markus.
    „Du schaffst es. Du bist mein Bruder, Marlon!“, rief Leon und sprang in die Luft. „Und was für ein Bruder du verfuchst noch mal bist!“
    „Beim heiligen Rudolph und seiner Nase!“ Nerv stand ungläubig auf. Er schaute mir zu, als wäre Weihnachten in den Frühling gerutscht, und zwei Stangen vor dem Ziel, ich lag drei Slalomtore vor Fabi in Führung, traute ich mich und sah zu Vanessa.
    Ich strahlte sie an.
    Ich war so stolz wie noch nie.
    Doch als mein Blick den ihren traf, traf mich auch etwas gegen die Brust. Es ging mir, als wäre ich in Honig gestürzt, und während sich das letzte Slalomtor vor dem Ziel bis zur Unendlichkeit streckte und dehnte, verwandelte sich die Vanessa vor mir auf der Brücke in die Vanessa im Bombentrichter, und ich hörte sie lachen:
    „Die Zeit der Piraten ist leider vorbei.“
    Und während ich immer langsamer wurde, überholte mich Fabi. Mein Ball fiel durch die Lücken zwischen den Schwellen und das Schleimbeutelpendel traf meinen Kopf.
    „Das war die Zwei!“, triumphierte Fli-Fla und verbannte mich endgültig in eine andere Welt.
    Ich war nicht mehr ich.
    Ich stand neben mir, hört ihr!
    Ich flog in einer wabernden Blase um mich herum, und das, was ich sah, passierte ganz ruckhaft und sprunghaft und wild durcheinander.
    Ich sah Maxis Kampf im Seitfallflugvolley-Zielschießen. Ich sah, wie die Zielscheiben unter seine Schüssen zerbarsten. Doch drei oder vier klappten ungetroffen zurück, und während Raban, der Held, vergeblich versuchte, einen Triple M. S. à la Maxi zu schießen, jagte Lissi, die aus der Hüfte schießt, ihre Seitfallflugvolleys durch die Halle. Sie versenkte zehn Ziele von zehn, und Donnerschlag-Nele barst ihren Ball gegen die Hau-den-Lukas-Maschine, dass die Stahlkugel aus der Messstange pfiff. Die Kugel, die Raban bei seinem Schüsschen zuvor gerade einmal dazu gebracht hatte, ein bisschen zu hüpfen.
    „Das war die Drei! Und das war die Vier!“, triumphierten die Biester, und das war das Erste, was ich wieder hörte.
    Ich saß im hintersten Winkel auf dem Boden des Stadions und hörte den Donner. Ich sah die Blitze die Halle erleuchten. Sie brannten einem die Augen aus, und dann fiel der Regen in die Höhle.

TRÄNEN IM REGEN
    Ich weiß nicht, wie lange ich da unten saß. Es gab keine Zeit. Sie löste sich auf, so wie sich meine Tränen im Regen auflösten. Schließlich wusste ich gar nicht mehr, dass ich weinte. Da hörte ich ihre Stimme.
    „Geliebte Vanessa“, las sie die Worte, die ich zu gut kannte.
    „Ohne Dich ist die ganze Welt nur noch schwarz-weiß.
    Weil Deine Augen, wenn sie gehen, die Farbe mitnehmen.
    Und ohne Dein Lachen die Sonne nicht scheint.
    Ohne
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