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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten
Autoren: Brian D’Amato
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mit dem nächsten Herzschlag begriff ich, dass es Hunderte menschengroßer Drachen aus Federn waren, alle rund oder fünfeckig, und alle mit Zielscheibenmustern aus Schwarz, Weiß und Magenta bemalt, die auf dem warmen Atem der Menge schwebten und die Stadt widerspiegelten wie ein See in der Luft.
    Die Menge begann in einer anderen Tonart ein neues Lied:
    »Hun k’in, ka k’inob,
    ox k’inob   …«
    »Null Sonnen, eine Sonne,
    Dann zwei Sonnen, dann drei Sonnen …«
    De todos modos , dachte ich. Konzentrier dich. Orientiere dich.
    Such dir Geländepunkte. Wo war der Fluss? Ich hatte den Eindruck, dass er zu einem See gestaut worden war, doch ich sah nirgendwo die Wasseroberfläche, nur Gruppen von Flößen aus Binsengeflecht und riesigen Kanus, zwischen denen sich gewaltige, leuchtend gelbe Adern schlängelten, die offenbar aus Millionen auf dem Wasser treibender Ringelblumenköpfe bestanden. Am anderen Ufer erhoben sich terrassenförmige Gebäude – Stufen aus ineinander übergehenden Bauwerken, Langhäuser, die wie die gepanzerten Rücken von Stegosauriern aussahen, und grazile Türme mit Überhängen, die der Schwerkraft trotzten und so instabil wirkten, dass sie federleicht sein mussten; vielleicht bestanden sie aus Gitterwerk, das mit Maispaste ausgefüllt war. Dies alles aber waren nur Eindrücke, denn jede senkrechte oder waagerechte Fläche von den Gipfeln der Berge bis zum Platz gleich unter uns wimmelte vor Leben.
    Reihen um Reihen der ajche’ejob , des Lachenden Volkes, wie die Ixianer sich nannten, tummelten sich auf den Plätzen und klammertensich als wogende Masse an Stangen, Gerüste und Fassaden, ähnlich wie die Schichten aus Polypen am Skelett eines jener tausend Jahre alten Riffe haften, die sich gorgonenhaft aus der See recken. Die einzigen freien Flächen waren die steilen Schulterebenen der vier großen mulob’ , der Nebenpyramiden, die sich aus dem Tumult erhoben wie stufig geschliffene Klötze aus Karborund. Und selbst sie zeigten keinen noch so winzigen Flecken ihres steinernen Innern; alles war mit Stuck bedeckt, bemalt und eingeölt und mit Blütenblättern geschmückt, mit Schichten in Türkis und Gelb und Schwarz, sodass ein Streifenmuster entstand. Mit ihren scharfen Kanten wirkten die mulob’ abschreckend, düster und boshaft. Jede mul trug einen gigantischen befiederten Dachkamm und blies Rauch aus verborgenen Öffnungen.
    Wie viele Menschen waren das? Fünfzigtausend? Siebzigtausend? Ich konnte nur einen Bruchteil von ihnen sehen. Angenommen, zweitausend standen auf dem Platz der Ozelots, der etwa einen Hektar groß war, und vorausgesetzt, es gab insgesamt dreißig Plätze dieser Größe, dann … schon gut. Verlier nicht deinen Auftrag aus dem Auge. De todos modos. Wo war 9-Reißzahn-Kolibri? Ich muss ihn unbedingt finden …
    »Wak k’inob, wuk k’inob   …«
    »Sechs Sonnen, dann sieben Sonnen …«
    Upa. Oh-oh!
    Irgendetwas stimmte nicht.
    Davon abgesehen, dass dieser Bursche noch immer in seinem Kopf wohnte, war hier noch etwas anderes nicht in Ordnung. Ganz entschieden nicht. Ganz fürchterlich nicht. Aber was?
    Ich versuchte seinen Gedanken zu lauschen, so, wie er meinen zuhörte. Und ich hörte etwas, bekam schlaglichtartig Bilder zu sehen, runzlige zahnlose Bauerngesichter, nackte, kropfige Kinder, die aus Reisighütten watschelten, blutige verschmierte Fußabdrücke auf gelbem, sonnenbeschienenem Pflaster, große, schwere brennende Gummibälle, die durch die violette Luft flogen, auf mich zu, von mir weg …tja, das waren nicht die Erinnerungen eines Königs … und irgendwie sickerte sein Identitätsgefühl hindurch. Mir wurde klar, dass ich seinen Namen kannte:
    Schakal.
    Nicht 9-Reißzahn-Kolibri. Schakal.
    Und er ist nicht der Ahau. Nein. Ich bin … er ist Hüftballspieler.
    Schiefgegangen. Irgendetwas war vollkommen schiefgegangen. Dieser Bursche ist bloß als Ahau gekleidet , und er sitzt hier oben in der Kammer des Ahau, aber er ist nicht der …
    »Bolon k’inob, lahun k’inob« , sang die Menge.
    »Neun Sonnen, dann zehn Sonnen …
    Elf Sonnen, dann zwölf Sonnen …«
    Es war ein Countdown, nur dass sie andersherum zählten, bis neunzehn. Also, was zum Teufel ist mit dem Kerl? Der Ahau ist er nicht, aber er geht trotzdem, er spielt Ball, er …
    Die Gewissheit senkte sich auf mich wie ein Regen aus Blei.
    Er nimmt den Platz von 9-Reißzahn-Kolibri ein!
    Und das ist auch keine Neubesteigung des Thrones. Das hier ist eine Opferung. Und
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