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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten
Autoren: Brian D’Amato
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mathematisch möglich wäre, führt über die berühmte Wurmlochstrecke. Aber wenn man Materie durch ein Wurmloch schickt, ist das ungefähr so, als würde man eine Vase Meißener Porzellan durch einen Schredder schicken. Alles, was durch das Wurmloch geht, kommt am anderen Ende zermalmt und verquirlt und zu nichts mehr zu gebrauchen heraus. Aber, aber, aber  … wir kennen einen Ausweg.
    Die Forschungsabteilungen der Warren Group haben ihn entdeckt. Die Tatsache, dass wir keine Materie in die Vergangenheit schicken können, schließt nicht automatisch jede Möglichkeit aus. Wissenschaftler der Warren Group sind darauf gekommen, Energieimpulse durch eine winzige, künstlich geschaffene Krasnikov-Röhre zu schicken. Die Überlegung dahinter war, dass ein Muster energetischer Impulse in der Lage sein könnte, Informationen zu transportieren. Wie sich zeigte, können die Impulse sogar sehr komplexe Informationen in kodierter Form übermitteln – nichts weniger als die konzentrierten Erinnerungen eines ganzen Lebens. Im Grunde alles, was gebraucht wird, um die Illusion zu erschaffen, die man Ichgefühl nennt. Meines Ichs, in diesem Fall.
    Das nächste Problem ist, dass es am anderen Ende einen Empfänger und einen Datenspeicher geben muss. Und in der Epoche, für die wir uns interessierten, gab es keine Radarschüsseln, Festplatten, Siliziumchips oder ZF -Antennen, nicht mal ein Dampfradio. Um 664 gab es nur ein Objekt, das solche Informationen empfangen und speichern konnte: ein Gehirn.
    Allmählich vermochte ich die Augäpfel zu bewegen. Ich bemerkte, dass meine rechte Hand – die, mit der ich den Dornenstrick hielt – breit und fleischig war und an den Handballen dicke Schwielen aufwies. Die Fingernägel waren lang und zugespitzt und mit Karneol besetzt, und auf die Finger selbst waren rote und schwarze Bändertätowiert, sodass sie aussahen wie winzige Korallenschlangen. Ein Armreif aus Jadeschuppen reichte mir vom Handgelenk bis fast an den Ellenbogen. Der Arm war außerdem von einer Kruste aus hellblauem Lehm bedeckt, wie auch mein blumenkohlartig geschwollenes linkes Knie und der Teil meiner nackten Brust, den ich sehen konnte.
    Ein Punkt für Team Freaky Friday, dachte ich. Ich befand mich wirklich und wahrhaftig im Körper eines anderen Menschen. Genauer gesagt war ich im Gehirn von jemandem namens 9-Reißzahn-Kolibri.
    Wir – das heißt, wir vom Warren-Projekt – wussten ein bisschen über ihn. Er war der Patriarch der Ozelot-Sippe und der ahau  – der König, Oberherr oder Kriegsherr – der Stadt Ix und der ungefähr zweitausend kleinen Ortschaften im Umkreis. Er war der Sohn des zwölften Ahaus, 22-Brennender-Wald, und Frau Zyklon. Heute war er achtundvierzig Jahre und einundsechzig Tage alt. Fastend hatte er hier ungefähr zweiundvierzig Stunden am Stück verbracht. Bei Sonnenaufgang sollte er herauskommen, um sich für eine zweite Zwanzigjahresperiode als Ahau auf den Thron zu setzen.
    Zwei Handbreit neben meinem linken Knie stand eine Schale mit glühenden Kohlen, und ohne nachzudenken, löste ich das rechteckige, blutgetränkte Papier von der Schilfmatte und hielt es über die Glut. Einen Augenblick lang leuchteten die Kohlen durch das Blatt, und ich konnte die Hieroglyphen auf der anderen Seite sehen, die Wendung »Wache über uns, beschütze uns«, und das Profil eines Adlers:

    Genauer gesagt war es ein Harpyienadler, Thrasyaetus harpyia . Auf Spanisch hieß er arpía , in der Sprache der Maya hunk’uk , »goldener Schlitzer«. Die Azteken haben ihn den Wolf mit Flügeln genannt. Er war das Zeichen meiner Sippe – das heißt, der Sippe des Mannes, dessen Gehirn ich beschlagnahmt hatte. Das Papier war ein Brief, das Ersuchen meiner Sippe an 1-Ozelot im Schoß des Himmels. Automatisch faltete ich das klebrige Blatt zu einem Dreieck – es war eine komplizierte Abfolge von Bewegungen, als faltete man einen Origami-Kranich, aber ich, beziehungsweise der frühere Besitzer meines Körpers, musste es hundertmal geübt haben – und legte das Papier in die Schale. Es musste mit irgendwelchen Kupfersalzen getränkt sein, denn es zischelte und ging dann in grüne Flammen auf.
    Meine Zunge pochte, meine Kehle brannte. Ich versuchte zu schlucken, doch es war, als wäre mein Gesicht erstarrt. Nichts regte sich.
    M’AX ECHE?
, dachte ich auf Ch’olan. Wer bist du?
    Nein, Augenblick.
    Nicht ich hatte das gedacht. Der Gedanke war von woanders gekommen.
    Es war, als hätte ich eine Stimme
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