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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier
Autoren: Robert Ludlum
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fest und so stark und doch so freundlich blickten. Er war ein Bulle von einem Mann, dieser Bruder. Ein anständiger Mann.
    »Du würdest alles fertigbringen«, sagte Anaxas ein wenig verlegen. »Du hast den Kopf für Gedanken und Worte, die weit über das hinausgehen, was ich verstehe.«
    »Das ist Unsinn.« Petride lachte. »Es hat einmal eine Zeit gegeben, da hast du mir den Hintern versohlt und mir gesagt, ich sollte mit mehr Verstand an meine Arbeit herangehen.«
    »Da warst du jung, das ist viele Jahre her. Du hast dich um deine Bücher gekümmert. Du warst besser, als man es für die Ladehöfe braucht, also bist du auch herausgekommen.«
    »Nur deinetwegen, mein Bruder.«
    »Ruh dich aus, Petride. Wir müssen uns beide ausruhen.«
    Sie hatten nichts mehr gemeinsam, und der Grund, daß sie nichts gemeinsam hatten, war Anaxas' Güte und Großzügigkeit.
    Der ältere Bruder hatte dem jüngeren die Mittel zur Flucht geboten, die Mittel, über den hinauszuwachsen, der sie ihm geliefert hatte - bis sie nichts mehr gemeinsam hatten. Was diese Realität unerträglich machte, war, daß Anaxas der Starke diesen Abgrund, der zwischen ihnen lag, jetzt verstand. In Bitola und Banja Luka hatte er auch darauf bestanden, daß sie sich ausruhten, daß sie nicht redeten. Sobald sie einmal in Monfalcone die Grenze überschritten hatten, würden sie nur noch wenig Schlaf finden. In Italien würde es überhaupt keinen Schlaf geben.
    Der Herrgott stellte sie auf die Probe.
    In dem Schweigen, das zwischen ihnen lag, in der offenen Kabine, über sich den schwarzen Himmel, unter sich den dunklen Boden, um sich die Nacht, die das unablässige Zischen der Maschine in sich aufnahm, empfand Petride etwas Seltsames, so als wäre alles Denken und alles Empfinden in ihm angehalten worden. Er dachte und empfand so, als untersuchte er die Empfindungen eines anderen aus der Ferne, von einem isolierten Punkt aus, als blickte er durch ein Mikroskop auf ihn hinunter. Und dann begann er über den Mann nachzudenken, dem er in den italienischen Alpen begegnen würde. Den Mann, der dem Xenope-Orden die komplizierten Transportpläne durch Norditalien beschafft hatte. Die sich ausdehnenden Kreise inmitten anderer Kreise, die unaufhaltsam über die Schweizer Grenze führten, dies auf eine Art, die sicherstellte, daß sie auch nicht die winzigste Spur hinterließen.
    Savarone Fontini-Cristi hieß er. Sein Anwesen nannte sich Campo di Fiori. Die Ältestenpriester von Xenope sagten, die Fontini-Cristis seien die mächtigste Familie in ganz Italien nördlich von Venedig, möglicherweise sogar die Reichsten nördlich von Rom. Diese Macht und dieser Wohlstand wurden sicherlich von den siebenundzwanzig einzelnen Papieren bestätigt, die Petride in dem Lederbeutel trug, den er sich so sicher um die Brust geschnallt hatte. Wer, wenn nicht ein außergewöhnlich einflußreicher Mann, hätte sie liefern können? Und wie waren die Ältestenpriester an ihn herangetreten? Mit welchen Mitteln? Und warum bot ein Mann namens Fontini-Cristi, dessen Ursprünge sicher in die römische Kirche zurückführten, dem Xenope-Orden solche Unterstützung an?
    Die Antworten auf diese Fragen waren nicht seine Sache, aber dennoch brannten die Fragen. Er wußte, was in der eisernen Kassette in dem dritten Güterwagen verschlossen lag. Es war mehr, als seine Priesterbrüder glaubten.
    Viel mehr.
    Ihm hatten es die Ältestenpriester gesagt, damit er verstehen konnte. Das war das Allerheiligste aller zwingenden Motive, die es ihm erlauben würden, ohne Zweifel oder Zögern ins Antlitz Gottes zu sehen. Und diese Bestätigung brauchte er.
    Er griff unbewußt unter das grobe Hemd und betastete den Beutel, den er dort trug. Dort, wo die Riemen scheuerten, war seine Haut geschwollen und würden ohne Zweifel bald eine Infektion herbeiführen. Aber erst wenn die siebenundzwanzig Papiere ihren Zweck erfüllt hatten. Und dann hatte es nichts mehr zu sagen.
    Plötzlich konnten sie einen knappen Kilometer entfernt auf dem nördlichen Gleis die Ferrovia von Venedig aus Triest erkennen. Der Kontaktmann von Sezana rannte aus seinem Stellwerksturm und forderte sie auf, sofort loszufahren.
    Anaxas heizte den Kessel der träge vor sich hin dampfenden Lokomotive so schnell wie möglich auf und gab dann Dampf auf die Kessel. Jetzt rasten sie auf Monfalcone zu.
    Die Grenzposten akzeptierten den Umschlag und gaben ihn an ihren Vorgesetzten weiter. Der Offizier schrie den stummen Anaxas so laut er konnte an, er
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