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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier
Autoren: Robert Ludlum
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später. Für dich ist es ein großes Privileg unter den Menschen.«
    »Ich bin meinem Gott dankbar.«
    »Das solltest du auch, mein Sohn«, sagte der Heilige Vater von Xenope und starrte ihn an. »Wir wissen, daß du einen Bruder hast. Er ist Maschinist bei der Eisenbahn.«
    »So ist es.«
    »Vertraust du ihm?«
    »Mit meinem ganzen Leben. Er ist der beste Mann, den ich kenne.«
    »Du sollst in die Augen des Herrn blicken«, sagte der Heilige Vater, »und du wirst nicht schwanken. In Seinen Augen wirst du die vollkommene Gnade finden.«
    »Ich danke meinem Gott«, sagte Petride noch einmal.
    Er schüttelte den Kopf und blinzelte, verdrängte die Reflexionen aus seinem Bewußtsein. Die Priester standen immer noch reglos neben dem Lastwagen. Geflüsterte Gesänge klangen in der Finsternis von sich schnell bewegenden Lippen zu ihm herüber.
    Jetzt war nicht die Zeit zur Meditation oder zum Gebet. Jetzt war für nichts Zeit, nur für schnelle Bewegung - um die Befehle des Xenope-Ordens auszuführen. Petride schob mit einer leichten Handbewegung die Priester vor sich auseinander und sprang auf den Lastwagen. Er wußte, weshalb man ihn ausgewählt hatte. Er war zu solcher Härte fähig. Der Heilige Vater von Xenope hatte ihm das eindeutig klargemacht.
    Es war eine Zeit für Männer wie ihn.
    Mochte Gott ihm verzeihen.
    »Kommt«, sagte er mit leiser Stimme zu den anderen, die unten warteten. »Ich brauche Hilfe.«
    Die dem Lastwagen am nächsten stehenden Mönche sahen einander unsicher an. Dann stiegen hintereinander fünf Männer auf die Ladebrücke.
    Petride entfernte das schwarze Tuch, das den Schatz bedeckte. Darunter war das heilige Gefäß in dicke Wellpappe und einen hölzernen Rahmen gehüllt, und die aufgepinselten Symbole von Xenope ähnelten, abgesehen von der Größe und Form, denen auf all den anderen Kisten. Aber damit hörte die Ähnlichkeit auf. Es bedurfte sechs starker Rücken, die sich alle die größte Mühe geben mußten, um den Behälter an den Rand der Ladebrücke zu schieben und zu zerren und dann hinüber in den Güterwagen zu befördern.
    Kaum war die schwere Kiste an Ort und Stelle, als wieder die an Tanz erinnernde Aktivität begann. Petride blieb in dem Güterwagen und ordnete Kisten so an, daß sie den heiligen Gegenstand verbargen, ihn als einen unter vielen erscheinen ließen. Nichts Ungewöhnliches, nichts, das einem ins Auge fiel.
    Endlich war der Güterwagen voll. Petride zog die Türen zu und legte das eiserne Vorhängeschloß ein. Er sah auf das Radiumzifferblatt seiner Armbanduhr. Sie hatten acht Minuten und dreißig Sekunden gebraucht.
    Das mußte sein, dachte er, und doch ärgerte es ihn: Seine Priesterkollegen knieten auf dem Boden nieder. Ein junger Mann - jünger als er, ein kräftig gebauter Serbokroate, der gerade erst seine Novizenzeit abgeschlossen hatte - konnte nicht an sich halten. Während ihm die Tränen über die Wangen rannen, begann der junge Priester den Gesang von Nicaea. Die anderen stimmten ein, und auch Petride kniete nieder, so wie er war in seiner Arbeitskleidung, und lauschte den heiligen Worten.
    Doch er sprach sie nicht. Dafür war keine Zeit. Begriffen die das denn nicht?
    Was geschah da mit ihnen? Um den Geist von den heiligen Gesängen abzulenken, griff er unter sein Hemd und betastete den Lederbeutel, der ihm um die Brust geschnallt war. In dieser dünnen und dennoch unbequemen Tasche waren die Befehle, die ihn über Hunderte von Kilometern Unsicherheit führen würden. Siebenundzwanzig Blätter Papier. Die Tasche war sicher; die Riemen schnitten ihm in die Haut.
    Als das Gebet beendet war, erhoben sich die Priester von Xenope stumm. Petride stand vor ihnen, und jetzt trat einer nach dem anderen auf ihn zu, umarmte ihn und hielt ihn in Liebe umfangen. Der letzte war sein Fahrer, sein bester Freund im ganzen Orden. Die Tränen, die in seinen Augenwinkeln standen und über sein kräftiges Gesicht rollten, sagten alles, was es zu sagen gab.
    Die Mönche liefen zu den Lastwagen zurück. Petride rannte zum vorderen Ende des Zuges und stieg auf die Lokomotive. Er nickte seinem Bruder zu, worauf dieser an seinen Hebeln und Drehrädern zu hantieren begann. Mahlende Geräusche von Metall auf Metall erfüllten die Nacht.
    Binnen weniger Minuten rollte der Güterzug mit hoher Geschwindigkeit dahin. Die Reise hatte begonnen. Die Reise zum größeren Ruhm eines allmächtigen Gottes.
    Petride hielt sich an einer Eisenstange fest, die aus der Wand herausragte. Er
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