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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier
Autoren: Robert Ludlum
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gefunden hat. Das wäre doch sicher Teil der Legende, und doch wird in den biblischen Studien nichts davon erwähnt. Wenn es so war und man es übersehen hat, dann wäre das eine schreckliche Lücke, nicht wahr?«
    Der Wissenschaftler nahm die Brille ab und säuberte die Gläser mit seinem Laborkittel.
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Adrian. Der alte Mann setzte sich die Brille wieder auf und vergrößerte damit seine nachdenklichen, traurigen Augen. »Angenommen, ein Bürger Roms, der zu einem schrecklichen Tode verurteilt ist, erfindet eine Geschichte, die das verhaßte Symbol einer gefährlichen Religion von Emporkömmlingen angreift, und angenommen, er tut das in glaubwürdiger Weise. Ein solcher Mann könnte die Gunst der Prätoren, der Konsuln, ja des Cäsar selbst finden. Viele haben das versucht, das wissen Sie. In der einen oder anderen Form. Es gibt die Überreste Dutzender solcher >Geständnisse<. Und jetzt wird uns eines dieser Geständnisse komplett überliefert. Gibt es denn einen Anlaß, es eher als die anderen zu akzeptieren? Nur weil es komplett ist? Geschicklichkeit und die Kunst des Überlebens sind in der Geschichte weit verbreitet.« Adrian beobachtete den Wissenschaftler scharf, während er sprach. In seinen Worten klang eine gewisse Angst mit. »Was glauben Sie denn, Doktor?«
    »Was ich glaube, ist nicht wichtig«, sagte Shire und wich Adrians Blick aus.
    Schweigen herrschte in dem kleinen Raum, ein tief bewegendes Schweigen. »Sie glauben es doch, oder?« Shire zögerte. »Es ist ein außergewöhnliches Dokument.«
    »Steht in ihm auch, was aus dem Zimmermann wurde?«
    »Ja«, antwortete Shire und starrte Adrian an. »Er hat sich drei Tage später das Leben genommen.«
    »Sich selbst das Leben genommen? Das widerspricht allem... «
    »Ja, das tut es«, unterbrach ihn der Wissenschaftler leise. »Die Konsequenz liegt in dem Zeitfaktor: drei Tage. Konsequenz und Inkonsequenz, wo liegt da das Gleichgewicht? In dem Geständnis steht, er hätte denen, die ihn retteten, Vorwürfe gemacht, jedoch am Ende seinen Gott aufgefordert, ihnen zu vergeben.«
    »Das ist konsequent.«
    »Hätten Sie anderes erwartet? Geschicklichkeit und die Kunst des Überlebens, Mr. Fontine.«
    Nichts ist verändert, und doch ist alles verändert.
    »In welchem Zustand befindet sich das Pergament?«
    »Es ist erstaunlich gut erhalten. Aufgrund der Lösung eines tierischen Öls, denke ich, in ein Vakuum gedrückt und mit schwerem Steinglas bedeckt.«
    »Und die anderen Dokumente?«
    »Die habe ich nicht untersucht, nur festgestellt, daß sie sich von dem Pergament unterscheiden. Die Papiere, von denen ich annehme, daß sie die Filioque-Übereinkünfte aus der Sicht der Gegner darstellen, sind nicht intakt. Die aramäische Schriftrolle besteht natürlich aus Metall, und es wird einige Zeit und Sorgfalt erfordern, um sie zu entziffern.«
    Adrian setzte sich.
    »Ist das die wörtliche Übersetzung des Geständnisses?« fragte er und wies auf das Blatt Papier, das der Wissenschaftler in der Hand hielt.
    »Hinreichend. Ohne Feinheiten. Ich würde es nicht als wissenschaftliche Arbeit vorlegen.«
    »Darf ich es haben?«
    »Sie dürfen alles haben.« Shire beugte sich vor. Adrian nahm das Papier entgegen. »Das Pergament, die Dokumente - sie gehören Ihnen.«
    »Sie gehören mir nicht.«
    »Das weiß ich.«
    »Warum dann? Ich hätte geglaubt, Sie würden darum bitten, daß ich sie Ihnen lasse. Um sie zu untersuchen. Um die Welt damit aufzuschrecken.«
    Der Wissenschaftler nahm die dicken Gläser ab, und seine Augen wirkten erschöpft, seine Stimme war leise. »Sie haben mir eine sehr seltsame Entdeckung gebracht und eine recht erschreckende. Ich bin zu alt, um damit fertig zu werden.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Dann bitte ich Sie zu überlegen. Jemand ist der Tod versagt worden, nicht das Leben. Aber in jenem Tod lag das Symbol. Wenn Sie jenen Tod in Zweifel ziehen, riskieren Sie es, alles in Zweifel zu ziehen, das jenes Symbol inzwischen bedeutet. Ich bin nicht sicher, daß das gerechtfertigt wäre.«
    Adrian schwieg eine Weile. »Der Preis der Wahrheit ist zu hoch. Ist es das, was Sie sagen?«
    »Wenn es wahr ist. Aber, noch einmal, im Alter liegt etwas schrecklich Absolutes. Man akzeptiert die Dinge, weil sie existieren. Homer schafft eine Erzählung, und Jahrhunderte später suchen die Menschen Routen über das Meer, suchen Höhlen, die von einäugigen Riesen bewohnt sind. Froisart zeichnet eine Geschichte auf, die es
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