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190 - Der Finder

190 - Der Finder

Titel: 190 - Der Finder
Autoren: Jo Zybell
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blieb der Junge stehen und verschnaufte. »Helft mir«, keuchte er, »ihr müsst mir helfen…« Es sprudelte einfach so aus ihm heraus, er wusste selbst nicht genau, wen er um Hilfe bat.
    Seine Verfolger sammelten sich etwa fünfzig Schritte entfernt am Fuß des Hügels. Immer mehr Krieger und Kriegerinnen strömten herbei und umzingelten ihn. Seltsamerweise näherten sie sich nur langsam. Hatten sie Angst vor ihm?
    Daa’tan blickte hinauf in die Baumkronen. Die Sterne glitzerten in der Krone, der Wind rauschte in den Blättern. Er blickte zu den Dorfbewohnern. Warum waren sie so still? Warum bewegten sie sich, als hätten sie Sohlen aus Stein? Aber sie kamen näher, und irgendwann würden sie bei ihm sein. »Mutter, wo bist du…? Grao, hilf mir …«
    Der Boden zwischen den Bäumen bewegte sich. Wurzelstrünke bohrten sich plötzlich aus dem Erdboden, Keimlinge schossen aus ihnen. Daa’tan traute seinen Augen nicht.
    Die rote Kriegerin trat vor, brüllte ein paar Befehle, die Daa’tan nicht verstand, und dann deutete sie auf die Bäume. Wind kam auf und riss an ihrem roten Mantel und ihren roten Zöpfen. Fackelträger drängten sich aus der Menge und sammelten sich um sie. Die Fackelflammen krümmten sich in der nächtlichen Brise. Nach den Fackelträgern traten Bogenschützen vor. Sie hielten Pfeile in die Fackelflamme und schossen die brennenden Pfeile dann in die Baumkronen hinauf.
    Und endlich begriff Daa’tan: Nicht ihn fürchteten sie, sondern die Bäume! Oder besser: seine Macht über die Bäume, sein Bündnis mit ihnen. Er selbst wusste nichts von einem solchen Bündnis, doch zu sehen, wie sie sich fürchteten, gab ihm Auftrieb.
    »Mein Schwert!«, brüllte er. »Gib mir mein Schwert zurück!« Sie hörten ihn nicht, sie schossen in die Bäume. Er legte den Kopf in den Nacken: Ein Brandpfeil nach dem anderen flog in die Kronen.
    Manche zischten durch das Geäst und landeten irgendwo hinter den Bäumen in der Dunkelheit, manche prallten an starken Ästen ab und fielen links und rechts von Daa’tan ins Gras, einige blieben im Stamm und im Geäst stecken und setzen die Kronen in Brand.
    Um Daa’tan herum wucherte Gestrüpp zwischen den drei Stämmen. Der Junge schöpfte Hoffnung und war doch zugleich mächtig verwirrt: Sie fürchteten die Bäume? Sie fürchteten seine Macht über die Bäume? Daa’tan war sich einer solchen Macht gar nicht bewusst. Waren das Wirkungen einer geheimen Macht, die ihm zu Gebote stand, was er da vorhin in dem Haus auf dem Hügel erlebt hatte? Bewirkte eine Kraft, die von ihm ausging, das plötzliche Ausschlagen des Wurzelgeflechts hier unten zwischen den Bäumen?
    Und wenn, woher sollte er eine solche Macht denn haben?
    Flammen züngelten hoch über ihm in den Baumkronen, es prasselt, glühende Zweige und Blätter segelten herab. Der Wind fegte in die Kronen, blies das Feuer an, rüttelte am Geäst. Unkraut und Gras und Wurzelgeflecht zwischen den drei Bäumen und um sie herum wucherte höher und höher. Die rote Kriegerin fluchte und schrie ihre Krieger an. Sie zog das Schwert Nuntimor und stapfte durch das plötzlich wuchernde Gras und Unkraut den brennenden Bäumen entgegen. Ohne Angst, wie es schien, stampfte sie das Feuer aus, wo sie ging, und bahnte sich einen Weg zu dem Jungen. Die Baumkronen brannten jetzt lichterloh.
    »O Mutter…« Daa’tan wich zurück. Verloren war er, verloren, und er spürte es mit jeder Faser seines kleinen Körpers. »… diese große Frau wird mich töten …«
    Die rote Kriegerin Cantalic stapfte näher. Brennende Zweige stürzten aus den Baumkronen. Daa’tan wich ihnen aus, stolperte und fiel hin. »Hau ab!« Er wusste nicht mehr, was er sagte.
    »Verschwinde, verfluchtes Weib!« Ohne sie aus den Augen zu lassen, kroch er zu einem der Stämme. »Und vorher wirf mir mein Schwert her!« Die Panik verwirrte seinen Verstand. »Das ist mein Schwert! Gib es mir zurück!«
    Geschrei erhob sich unter den Kriegern und Kriegerinnen, die seine drei Bäume umzingelten. Die Menge wogte hin und her. Schwert-und Axtklingen blitzten im Schein der Flammen und des Mondlichts auf. Aus irgendeinem Grund war ein Kampf unter den Leuten ausgebrochen. Der Wind fegte in die brennenden Baumkronen, Funkenflug wirbelte über die wogende Menge, die rote Kriegerin blieb stehen und blickte zurück.
    Ihre Kämpfer wichen plötzlich in wilder Flucht auseinander, bildeten eine Gasse. Eine geduckte Gestalt rannte durch diese Gasse, schwang Schwert und Axt.
    »Grao…«,
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