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185 - Ein Albtraum erwacht

185 - Ein Albtraum erwacht

Titel: 185 - Ein Albtraum erwacht
Autoren: Michael M. Thurner
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Dach über den Durchgang. Aruula fühlte sich unwohl, während sie sich durch den schmalen Gang quetschte. Der Gedanke, mehrere Tonnen Gestein über sich zu haben, schreckte sie.
    Eine Sackgasse.
    Erneut endete der Weg an steil hochragenden Wänden, von denen wenige dünne Wasserspuren glitzernd hinab führten. Sie spiegelten das Sonnenlicht, projizierten es sinnverwirrend in alle Richtungen.
    Enttäuscht drehte sie sich um, wollte sich am nächsten Einstieg versuchen –– als ihr Blick auf ein Büschel magerer Gräser fiel, das in der Ecke rechts von ihr gedieh. Zwei oder drei der trockenen Halme waren niedergetreten, die dünnen Knickstellen noch feucht. Vor nicht einmal einem Tag hatte hier jemand gestanden!
    Aruula trat näher, tastete über den hochragenden Fels, der von mehreren Längsrillen durchbrochen war. Konnte man sich hier festhalten und hochziehen, die mehr als sechs Mannshöhen glatten Gesteins gefahrlos überwinden?
    Sie mochte es vielleicht unter Aufbietung aller Kräfte schaffen – aber war dies wirklich der einzige Weg hinauf zur Anhöhe? Geduldig tastete sie weiter, fuhr mit den Fingerkuppen über den Stein, suchte nach irgendeiner Spur.
    Plötzlich griff sie ins Leere; dort, wo ihr die Augen massiven Granit vorspiegelten, war… nichts! Erschreckt zog sie die Hand zurück. Hatte sie es mit mächtiger Zauberei zu tun?
    Sei nicht feige!, feuerte sie sich selbst an. Wie oft hat dir Maddrax bewiesen, welche Illusionen in Wahrheit nur Tekknik sind?
    Neuerlich griff sie ins Leere, schloss dabei die Augen, tastete hin und her. Ja. Hier war ein Spalt. Sicherlich einen halben Meter breit, sodass man sich seitlich vorwärts bewegen konnte. Und die Seitenwände – sie waren feucht! Ein Wasserfilm hatte sich über sie gelegt.
    Das ist es!, sagte sie sich. Die Wände sind so glatt, und die Feuchtigkeit wirkt im Sonnenlicht wie ein Spiegel. Es ist eine natürliche Illusion, auf die ich hereingefallen bin!
    Aruula bewegte sich in den Spalt, und augenblicklich erlosch das Trugbild. Erleichtert atmete sie durch und schob sich seitlich weiter vor. Fußspuren hatten sich in die feuchte Erde geprägt. Sie hatte den richtigen Aufstieg entdeckt.
    ***
    Allmählich erweiterte sich ihr Blickfeld. Sengende Hitze wurde vom glatten Fels reflektiert. Hier war kein Luftzug zu spüren.
    Alles umfassende Stille und Bewegungslosigkeit drückte auf dieses unheimliche Land.
    Eine Art Bindfaden lag auf einem Felsvorsprung links von ihr. Er zog sich das Gestein entlang, verschwand im Nirgendwo des Labyrinths. Zwei weitere entdeckte sie, dann ein Dutzend, schließlich hunderte. Es war, als hätte eine riesige Spinne ihr Netz spannen wollen und dabei die stabilisierenden Querstränge vergessen. Am Boden, über das Gestein, in lichter Höhe – überall waren plötzlich diese Schnüre zu sehen.
    Aruula zog das Schwert. Sie wollte kampfbereit sein, wenn sie dem Verursacher dieses seltsamen Spiels begegnete.
    Langsam, jeden Schritt bewusst setzend, schlich sie vorwärts.
    Wenn sich doch nur die Hüter in ihrem Kopf melden und ihr sagen würden, ob sie sich auf dem richtigen Weg befand!
    Die Fäden woben sich über- und ineinander, wurden zu massiven Strängen, die nunmehr deutlich in eine bestimmte Richtung gelegt waren. Aruula folgte ihnen, jederzeit bereit, einen überraschenden Angriff abzuwehren.
    Mit einem Mal wich der Fels zur Seite – und pralles, in dieser Einöde nicht zu erwartendes Leben begegnete ihr. Nach all der Stille, durch die sie sich während der letzten Stunde bewegt hatte, erschlug sie die Geräuschkulisse aus Brummen, Gackern und Seufzen nahezu.
    Aruula hatte ihr Ziel erreicht: ein steinernes Häuschen auf einer Anhöhe. Drei Männer saßen davor und zogen gemeinsam angestrengt an einem Faden, der in ihre Richtung reichte.
    Sie spürte ein leichtes Kribbeln um ihr rechtes Fußgelenk.
    Verwirrt blickte sie an ihrem Körper hinab.
    Da hing ein Faden fest.
    Es war jener, an dem die drei Hüter zogen.
    ***
    »Keine Angst!«, sagte eine zittrige Stimme. Sie entrang sich einer ausgedörrten Kehle und klang so alt und hinfällig, dass man glauben konnte, einem lebenden Leichnam zuzuhören.
    Aruula sah den Mann an. Er saß da, vornüber gebeugt, und hielt sich zitternd an einem knorrigen Stock fest. Tausende Falten zerfurchten sein Gesicht und ließen es wie einen Stein erscheinen, den Wasser und Hitze auseinander gesprengt hatten. Die zerklüftete Nase, die narbigen Ohren und auch der zerrissene Mund waren bloß
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