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Titel: 18
Autoren: Markus Luengen
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von einem Freund eine Wohnung in der Nähe des Bahnhofs angeboten bekommen habe, die er sich sofort ansehen müsse. Seine Eltern würden ihm mit Kusshand die Miete zahlen, falls er endlich daheim ausziehen würde. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und fuhr allein zur Schule.
    Der Typ mit dem Granada wurde von allen Semme genannt. Als ich mit dem Rad auf den Schulhof kurvte, lehnte er an seinem Wagen, die Arme vor der Brust gekreuzt. Ich hatte ihn auf einigen Feten gesehen, wo er spät auftauchte, im Hintergrund an der Wand lehnte, während er in konstanter Geschwindigkeit sein Bier trank. In der gleichen Haltung lehnte er an seinem Wagen.
    Als er mich sah, stieß er sich vom Wagen ab, sagte kurz: „Hallo, hallo.“ Und ging hinter mir her in die Aula. Ich zeigte ihm die Lautsprecherboxen und die Anlage am Rand der Bühne.
    „Das trägst du Alles alleine, oder wie?“, fragte er.
    „Pat sollte ja helfen.“
    „Eine Sackkarre habt ihr nicht vorgesehen, oder?“, fragte er.
    „Nein, haben wir nicht.“
    „Und dieser Pat kommt zufällig nicht noch nach, oder?“
    „Nehme ich nicht an.“
    „Wir sind also zu zweit, um den ganzen Krempel fortzuschaffen. Und der einzige, der von uns beiden Scheiße gebaut hat, bist du.“
    „Ich fürchte, du hast ...“
    „Und ich darf hier tragen und zur Belohnung noch meinen Wagen zur Verfügung stellen.“
    „Diese Stringenz.“
    „Falls ihr jemals eine Platte rausbringt, will ich auf dem Cover namentlich erwähnt werden. So einen Mist habe ich noch nie erlebt“, sagte er und beugte sich zu einer Kabeltrommel hinunter, um sie sich auf die Schulter zu laden. Er war genauso dünn wie ich, doch er schaffte es ohne große Anstrengungen. Ich wollte ihm den Glauben nicht nehmen, dass dies alles Utensilien unserer Band waren.
    Wir trugen nacheinander die Boxen und andere Ausrüstungsteile zu seinem Granada. Der größte Teil war geschafft, als ich ihn im Kartenraum am Tisch lehnend vorfand. Er hielt eine Flasche Bier in der Hand, die er sich aus dem Vorratskasten geangelt hatte.
    „Trinken wir einen“, sagte er.
    Ich bediente mich ebenfalls, und wir lehnten gemeinsam nebeneinander am Tisch.
    „Euer Auftritt war nicht so der Durchbruch, oder?“, fragte Semme.
    „Du hast es erlebt?“
    „Ich war leider schon wieder weg.“
    „Es war eine große Chance für uns. Fünfhundert Leute vor der Bühne.“
    „Warum habt ihr es vermasselt?“, fragte er.
    „Wir haben es nicht vermasselt. Mein Vater hat es vermasselt. Wir waren gut, sehr gut sogar. Vielleicht zu gut für meinen Vater. Mein Vater hat die Tür schließen lassen. Er ist während des Auftritts zum Hausmeister in der ersten Reihe gerannt und hat durchgesetzt, dass die Tür geschlossen wird. Er hat sie nicht mal selbst geschlossen.“
    „Meine Eltern fanden euch gut. Sie waren bis zum Schluss da“, sagte Semme.
    „Tatsache?“
    „Ja. Sonst würde ich nicht helfen. Habt ihr meinen Eltern zu verdanken, dass ich euch helfe.“
    „Wir sollten die Eltern tauschen.“ Und dann: „Es ist Schluss mit der Band. Es ist Schluss, bevor es überhaupt angefangen hat. Mein Alter schickt mich nach England. Es war ein Hirngespinst mit der Band.“
    „Du musst dein Ding machen“ antwortete er bloß. Er trank aus seiner Flasche und stützte sie dann auf seinen Oberschenkel. Ich machte es ihm nach, aber er versank wieder in das Schweigen, das ich von ihm von Partys her kannte. Ich betrachtete das von Pat zerstörte Modell des Vulkans, und schließlich sagte Semme: „Wenn es dein Ding ist, irgendwann Musik zu machen, wird auch England deinen Vater nicht davor verschonen, einen Musiker zum Sohn zu haben. Wenn es nicht dein Ding ist, dann könntest du genauso gut hierbleiben.“ Er schaute mich an.
    „Ich weiß aber nicht, ob es mein Ding ist. Ich weiß nur, dass mein Vater alle Hebel in Bewegung setzt, um es zu verhindern. Egal ob es mein Ding ist oder nicht. Mich davon abzubringen ist sein Ding, verstehst du?“
    „Nein“, sagte er ruhig. „Es ist deine Entscheidung, ob du Musik machst oder nicht. Es ist nicht die Entscheidung deines Vaters.“
    „Du kennst meinen Vater nicht. Was ist eigentlich dein Ding?“
    Er schwieg eine Weile, nuckelte an seinem Bier und sagte dann: „Mein Ding ist, dass ich in einem großen Kombi sitze und die Scheibe halb heruntergekurbelt habe und bei warmen Wetter durch die Gegend rolle. Im Kassettenfach spielt eine Musik, die vom weiten Himmel erzählt. Das ist mein Ding.“ Er sah mich an und ich
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