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Titel: 18
Autoren: Markus Luengen
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betrachtete, schwenkte sein Blick wieder aus dem Fenster.
    „Ich denke, und deine Mutter wird mir darin zustimmen, dass du diese Dinge hier gar nicht richtig schätzen kannst, da sie für dich eine Selbstverständlichkeit darstellen. Damit wir uns nicht falsch verstehen. Du sollst und musst alle Annehmlichkeiten haben, die wir dir guten Gewissens bieten können. Und du nimmst sie recht selbstverständlich entgegen. Wir erwarten keine Dankbarkeit, dafür ist es noch zu früh. Doch was wir erwarten, ist zumindest Respekt. Du darfst nicht das Ansehen unserer Familie und unseres Namens in den Schmutz ziehen. Niemals.“ Er hielt weiter seine Hände wie einen aufgespreizten Fächer unter sein Kinn und schaute konzentriert aus dem Fenster. Ich sah ihn an und konnte seine Stirnadern sehen. Das letzte Mal hatte ich diese Anspannung gesehen, als er seinen Boss und dessen magersüchtige Frau zum Essen in unser Haus eingeladen hatte. Er gab sich einen Ruck und erwiderte meinen Blick.
    „Du warst es also doch“, sagte ich. Es waren meine ersten Worte, seit ich das Zimmer betreten hatte. Das Kaminfeuer hatte die erste Ladung funkenfreies Kirschholz aufgefressen, und mein Vater erhob sich und ging hinüber, um neue Scheite in die Glut zu legen.
    „Natürlich“, sagte er. „Das konnte ich unmöglich durchgehen lassen. Hattest du das etwa geglaubt? Das kann ich mir bei dir nicht vorstellen. Ich dachte zunächst an eine gezielte Provokation. Du hast dich mit diesem Auftritt völlig blamiert und deine Schulkarriere ernsthaft gefährdet. Ich habe bereits mit dem Rektor gesprochen. Zumindest konnte ich dadurch weiteren Schaden von unserem Namen abwenden.“
    Er hatte einige Scheite im Kamin aufgestellt und kehrte zu seinem Sessel zurück. Er wirkte lockerer, als ob er wüsste, dass er die schwierigsten Klippen bereits umschifft hatte, und jetzt wieder auf dem gewohnten weiten Meer navigierte, wo zwar auch noch Probleme auftraten, diese jedoch keineswegs bedrohlich werden konnten.
    „Wie willst du es mir verbieten?“, fragte ich.
    „Wieso verbieten? Du wirst doch selbst einsehen, dass mit diesem Umgang Schluss sein muss. Du hättest dich sehen sollen. Deine Mutter war entsetzt.“
    „Das glaube ich nicht.“
    Mein Vater sagte einen Moment nichts, und ich wusste, dass ich richtig geraten hatte. Er drehte seinen Sessel etwas weiter zu mir herüber. Wir saßen uns fast gegenüber.
    „Ich muss Pat anrufen“, sagte ich.
    „Welchen Pat?“ Und dann: „Findest du es hilfreich, ihn jetzt anzurufen?“
    „Immerhin willst du seine Band genauso auflösen wie meine.“
    „Band? Es ist eine Verherrlichung eines Arzneimittels, mehr nicht. Von einer Band habe ich nichts gesehen.“
    Ich erhob mich und ging hinüber zum Telefon. Ich erreichte Pat und fragte ihn, ob er gerade mal vorbeikommen könnte. Er sagte zu, wir legten auf und ich ließ mich wieder in meinen Sessel fallen.
    „Dieser Patrick stammt doch eigentlich aus einer recht guten Familie, nicht wahr?“, fragte mein Vater. Er schaute jetzt nicht mehr durch die Panoramascheiben, sondern zu mir herüber. Diese Unterredung hatte etwas Geschäftsmäßiges angenommen, als ob nur noch unbedeutende Tagesordnungspunkte angesprochen und abgehakt werden müssten.
    „Das tun wir doch alle“, antwortete ich.
    „Er wird Verständnis dafür haben, da bin ich sicher. Im Zweifel setzt sich immer die gute Erziehung durch.“ Er hüstelte etwas verlegen. „Wobei ich letztens einen interessanten Artikel über einige Schulen in Großbritannien gelesen habe. Sehr interessanter Artikel. Sehr interessant. Erinnerst du dich an meine Schwester Marie, die in den siebziger Jahren diesen Engländer geheiratet hat? Leider ist der Kontakt mit den Jahren doch etwas abgeflaut. Ich habe sie gestern angerufen. Eine hoch angesehene Schule befindet sich unmittelbar bei ihnen im Ort. Ich meine, dass sie über dreihundert Jahre alt ist. Dreihundert Jahre. Dieses Alter dürfte genügen, um Qualität zu verbürgen.“  
    „Das kannst du nicht machen“, sagte ich.
    „Du hast es doch gerade gehört.“
    „Wir hatten einen guten Auftritt.“
    „Die Leute mussten doch denken, wir hätten einen Schwachsinnigen großgezogen. Und das bist du nicht.“ Er hielt sich mit beiden Händen an den Armlehnen fest, als ob ihn bei der Erinnerung an den Abend nochmals das Grauen überkommen würde. „Immerhin können wir Gott danken, dass du dein Geld nicht mit irgendwelchen Ballsportarten verdienen willst.“ Anscheinend
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