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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln
Autoren: Karl May
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gesättigt, mußte ich mit ihm fort, nach der Stadt, einem schmutzigen Nest, in welchem es eigentlich mehr Schutt und Trümmer als Steine, und mehr geistig betrunkene Mohammedaner als Menschen gab.
    Der Empfang der nacheinander ankommenden und meist nur durchziehenden Pilgerhaufen bestand in einem heiseren Allah-Gebrüll, und über die Einweihung der ‚heiligen Fahne‘ will ich lieber gar nichts sagen. Diese Menschen waren eben beinahe toll vor religiöser Begeisterung; sie schrien wie die Tiger, verwundeten sich, um dem Propheten ihr Blut zu weihen, und ergingen sich in ähnlichen andern Verrücktheiten, bei denen ich förmlichen Ekel empfand. Ich war darum froh, als der Abdal mich nach hereingebrochener Dunkelheit aufforderte, mit ihm nach Hause zu gehen, um das Abendbrot einzunehmen. Ob ich meinen Zweck in Beziehung auf seinen Sohn bei ihm erreichen würde, war mir mehr als zweifelhaft geworden. Ganz abgerechnet davon, daß er überhaupt ein hartes Herz besaß, war er ein so verknöcherter Islamit, daß an eine Verzeihung voraussichtlich nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen zu denken war. Dennoch war ich fest entschlossen, nach dem Abendessen oder auch schon während desselben mein Glück zu versuchen, die Angelegenheit sollte sich aber noch vor demselben entscheiden.
    Als wir durch das Tor traten, mußten die Hunde wieder von mir abgehalten werden. Der Mond war im Aufgehen, und so sah ich mein Pferd, welches sich im Gras unter den Bäumen gütlich tat. Das Sattel- und Zaumzeug hing an einem Pflock an der Hauswand. Der Mir Alai führte mich in dasselbe Zimmer, in welchem ich schon gewesen war, und entfernte sich dann, wahrscheinlich, um bei seinem Weib nachzusehen, ob das Essen bereit stehe. Er war kaum von mir fort, so erhob sich auf der Seite, nach welcher er gegangen war, ein wütendes Geschrei. Ich erkannte seine Stimme; er brüllte wie ein Verrückter. Der Schwall seiner Worte blieb mir unverständlich; deutlich aber hörte ich nur immer die Worte Sabbi, Verfluchter, und den oft wiederholten Fluch Allah partschalamah, was so viel wie ‚Gott zerschmettere dich!‘ bedeutet.
    Wie ich später hörte, hatte sein Sohn mit Ungeduld auf mich gewartet und diese Ungeduld, als es dunkel wurde, nicht länger bemeistern können. Er war herbeigekommen und hatte das Tor, dessen Mechanismus er kannte, geöffnet. Die Hunde brauchte er als Sohn des Hauses nicht zu fürchten. Er hatte seinen Vater und mich abwesend gefunden und war zu seiner Mutter gegangen, wo ihn der erstere jetzt ertappte, mit Fäusten auf ihn eindrang, ihn zu Boden warf und fluchend und brüllend auf ihn einschlug. Die Mutter wollte dem Wütenden Einhalt tun, wurde aber von ihm mit solcher Gewalt in die Ecke geworfen, daß sie dort wimmernd liegenblieb. Der Sohn rang sich in die Höhe, um den Vater von sich abzuhalten, er mußte sich natürlich gegen ihn wehren; das steigerte die Wut desselben in solchem Maße, daß er ein geladenes Gewehr von der Wand riß und auf ihn anlegte. Er hätte sicherlich geschossen; der Kysrakdar sah glücklicherweise ein, daß es unmöglich sei, mit einem so wahnwitzig erregten Menschen gütlich zu verhandeln, und ergriff die Flucht. Um aus dem Haus zu kommen, mußte er durch die Stube, in welcher ich mich befand. Er kam zur einen Seite hereingesprungen und wollte zur andern hinaus; da sah er mich und blieb stehen. Schon aber erschien sein Vater hinter ihm mit dem Gewehr in der Hand und legte auf ihn an. Ich sprang hinzu, schlug den Lauf zur Seite; der Schuß krachte und die Kugel ging hart am Kopf des Sohnes vorüber und fuhr in die Wand.
    „Was tust du, Unglückseliger!“ rief ich ihm zu. „Du willst deinen eigenen Sohn ermorden?“
    „Schweig!“ donnerte er mich an. „Was hinderst du mich, diesen Abtrünnigen zu züchtigen, diesen Hund, der von Allah abgefallen ist, diesen Verlorenen und Verfluchten, der nichts zu erwarten hat als nur die Hölle mit allen ihren Qualen!“
    „Er ist dein Sohn, und du bist sein Erzeuger!“
    „Allah verzeihe es mir, daß ich sein Vater bin! Woher aber weißt du, daß dem so ist? Kennst du ihn denn?“
    „Ja, ich bin mehrere Tage mit ihm geritten.“
    „So wußtest du, daß er sich hier befindet, daß er zu mir wollte?“
    „Ja.“
    „Und du hast es mir nicht gesagt! So hat er, den Allah zerschmettern möge, dir wohl verschwiegen, daß er ein Giaur, ein Christenhund geworden ist?“
    „Nein, er hat es mir gesagt.“
    „Und du hast ihn nicht angespien, ihn nicht zum
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