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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln
Autoren: Karl May
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zu große Fertigkeit möglichst zu vervollständigen versucht. Unser Zusammensein in der Prärie hatte treffliche Gelegenheit geboten, beiderseits in Übung zu bleiben, und so ging ich mit dem Dampfer Vulkan, welcher der Messagerie impériale gehörte, mit der beruhigenden Überzeugung von Marseille ab, daß es mir nicht schwerfallen werde, mich mit den Kindern der Sahara in ihrer Muttersprache zu verständigen.
    Afrika galt uns, wie ja auch einem jeden anderen, als das Land großer, noch ungelöster Rätsel, welche uns genug des Interessanten und wohl auch Gefährlichen bieten würden; doch erfüllte uns besonders eins mit erwartungsvoller Begeisterung: wie wir den Jaguar, den grauen Bären und den Büffel getötet hatten, so wollten wir unsere Büchsen auch an dem schwarzen Panther und dem Löwen versuchen. Emery Bothwell hatte mit einer Art von Eifersucht die Berichte über Gérard, den kühnen Löwenjäger, vernommen und war fest entschlossen, sich auf alle Fälle einige Mähnenhäute zu holen.
    Es war bereits ein Jahr seit unserer Trennung vergangen, doch kannte er die ungefähre Zeit meines Eintreffens, und da er ebenso wußte, daß ich mit dem französischen Dampfer kommen würde, so fühlte ich mich einigermaßen enttäuscht, als ich ihn beim Landen nicht unter der bunten Menge erblickte, welche auf dem Quai auf die Ausschiffung der Passiere wartete oder in Booten herbeigeeilt kam, um Bekannte in Empfang zu nehmen.
    Algier ist an der Westseite eines halbmondförmigen Golfes gelegen und kehrte dem Schiff seine ganze Front zu. Die Stadt gewährte dem Beschauer ein sonderbares, fast geisterhaftes, ungeheuerliches Bild. Eine an dem grünen Gebirge aufsteigende, kreideweiße und ineinanderfließende Häusermasse ohne Dächer und Fenster starrt herab in den Hafen und sah beinahe aus wie ein Kalksteinfelsen, eine riesige Gipsgruppe oder ein Gletscher bei Sonnenbeleuchtung. Hoch oben auf dem Gipfel des Gebirges erschienen die Bastionen des Kaiserforts, und am Fuß desselben zogen sich außer der Festung Mersa Edduben verschiedene Fortifikationen hin.
    Auf dem Quai bewegten sich Gruppen weißer Burnusgestalten, Neger und Negerinnen in den buntesten Kostümen, Frauen, vom Kopf bis zum Fuß in weiße Wollenschleier gehüllt, Mauren und Juden in türkischer Tracht, Mischlinge aller Farben, Herren und Damen in europäischer Kleidung und französische Militärs in allen Graden und Abteilungen.
    Ich ließ mein Gepäck nach dem Hotel de Paris in der Straße Babel-el-Qued schaffen, restaurierte mich dort nach Bedürfnis und begab mich dann in die Straße Bab-Azoun, in welcher die Wohnung Mr. Latréaumonts lag.
    Meine Karte wurde abgegeben, und sofort erschien der Chef unter der Tür des Zimmers, in welchem er arbeitete.
    „Bienvenu, bienvenu, Monseigneur, aber nicht hier, nicht hier! Bitte, kommen Sie mit mir, damit ich Sie Madame und Mademoiselle vorstelle. Wir haben seit langem mit Schmerzen auf Sie gewartet!“
    Dieser unerwartete Empfang mußte mich frappieren. Mit Schmerzen hatte man auf mich, den Unbekannten, gewartet? Aus welchem Grunde?
    Latréaumont war ein kleiner, höchst beweglicher Mann, welcher die breiten, marmornen Stiegen erklommen hatte, noch ehe die Hälfte derselben unter mir lag. Das Haus war früher der Palast eines reichen Muselmannes gewesen, und die Vereinigung arabischer Architektur mit französischer Ausstattung brachte einen eigentümlichen Effekt hervor. Ich wurde durch den brillant eingerichteten Salon in das Familienzimmer geführt, eine Auszeichnung, welche mit dem Schmerze, mit welchem man mich erwartet hatte, in Verbindung stehen mußte.
    Madame saß, in einem Roman blätternd, auf einem Taburett; sie war nach europäischem Schnitt in schwarze Seide gekleidet. Mademoiselle lag in einem samtenen Diwan und trug das bequeme, malerische, morgenländische Gewand. Ein weites, seidenes Beinkleid reichte vom Gürtel bis zum Knöchel herab, während der nackte Fuß in blauen, goldgestickten Pantoffeln stak; seine Spitzeneinsätze, mit Gold und Silber durchwirkt, bedeckten Hals und Brust, und darüber trug sie eine samtene türkische Jacke, die mit kostbaren Arabesken verziert und mit Reihen wertvoller Knöpfe besetzt war. Das dunkle Haar war von Gold- und Perlenschnüren durchflochten und in blaue und rosa Foulards eingebunden.
    Beide Damen erhoben sich bei unserm Eintritt und konnten ihre Überraschung über den gesellschaftlichen Fauxpas kaum verbergen, welchen der Hausherr dadurch beging, daß er
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