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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln
Autoren: Karl May
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als Wegweiser zu dienen.“
    „Wo befindet er sich?“
    „Hier im Haus. Befehlen Monseigneur, ihn rufen zu lassen?“
    „Ich bitte darum!“
    Ich mußte mich im stillen ein Glückskind nennen, denn kaum hatte mein Fuß die afrikanische Erde betreten, so wurde ich in eine Angelegenheit gezogen, welche mir eine reiche Aussicht auf die interessantesten Erlebnisse eröffnete. Latréaumont klingelte nach dem Araber, und die Damen vergaßen in Erwartung der kommenden Verhandlung für kurze Zeit den Schmerz, welcher sie bewegte.
    Während meiner Anwesenheit in Ägypten hatte ich einen Ausflug nach Siut, Dakhel, Khardscheh und Soleb bis zur Oase Selimeh unternommen und war auf demselben mit einigen Kubabisch zusammengetroffen, die ich als tapfere Krieger und tüchtige Führer kennengelernt hatte. Daher sah ich der Unterredung mit dem Kubaschi (Singular von Kubabisch) nicht ohne ein auch persönliches Interesse entgegen.
    Er trat ein. Die Araber sind nur selten über Mittelgröße und meist von schlanker, hagerer Gestalt; dieser Mann aber war fast ein Riese zu nennen. Er war so hoch und breit gewachsen, daß mir beinahe ein Ausruf des Erstaunens entfahren wäre, und sein langer, dichter Vollbart, verbunden mit dem Umstand, daß er bis unter die Zähne in allen möglichen Waffensorten stak, gab ihm ein höchst martialisches Aussehen. Das war jedenfalls ein Begleiter, wie ich mir keinen bessern wünschen konnte, denn schon sein bloßer Anblick mußte dem Feind Furcht einjagen.
    Er verbeugte sich mit über die Brust gekreuzten Händen bis beinahe herab zur Erde, und mit tiefer, dröhnender Baßstimme erklang sein „Sallam aaleïkum, Friede sei mit Euch!“
    „Marhaba, du sollst willkommen sein!“ antwortete ich ihm. „Du bist ein Sohn der tapfern Kubabisch?“
    Ein stolzer Blick seines dunklen Auges blitzte mir entgegen.
    „Die Kubabisch sind die berühmtesten Kinder des großen Abu Zett, Sihdi (Herr); ihr Stamm umfaßt mehr als zwanzig Ferkah, und der tapferste derselben ist En Nurab, zu dem ich gehöre.“
    „En Nurab? Ich kenne ihn; sein Scheik ist der weise Fadharalla-Uëlad-Salem, neben dessen Stute ich geritten bin.“
    „Bismillah, das ist gut, Sihdi, denn nun darf ich deine Stimme hören, obgleich du ein Ungläubiger bist aus dem armen Lande Frankistan!“
    „Wie ist dein Name?“
    „Mein Name ist schwer für die Zunge eines Inglese. Er lautet Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-Ibn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli.“
    Ich mußte lächeln. Hier stand einer jener Araber vor mir, welche ihrem einfachen Namen den ganzen Stammbaum beifügen, teils um ihre Ahnen zu ehren, meist aber, um auf den Hörer einen Eindruck zu machen. Ich entgegnete daher:
    „Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-Ibn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli. Die Zunge eines Inglese vermag einen Namen auszusprechen, der, wenn er niedergeschrieben wird, von Bengasi bis nach Kaschenah reicht; dennoch aber werde ich dich nur Hassan nennen, weil Mohammed sagt: ‚Sprich nicht zehn Worte, wo ein einziges genügt!‘“
    „Mein Ohr wird verschlossen sein, wenn du mich Hassan rufst, Sihdi. Die mich kennen, nennen mich Hassan el Kebihr, Hassan den Großen; denn du mußt wissen, daß ich Djezzar-Bei, der Menschenwürger, bin!“
    „Allah akbar, Gott ist groß; ihn kennt jede Kreatur, aber von Djezzar-Bei, dem Menschenwürger, habe ich noch nie ein Wort vernommen! Wer hat dich so genannt?“
    „Ein jeder, der mich kennt, Sihdi!“
    „Und wieviel Menschen hast du bereits erwürgt?“
    Er schlug verlegen die Augen zu Boden.
    „Die Steppe bebt und die Sahel erzittert, wenn Djezzar-Bei erscheint, Sihdi; aber sein Herz ist voll Gnade, Langmut und Barmherzigkeit, denn ‚deine Hand sei stark wie die Tatze des Panthers, doch lind wie der Halm des Grases auf dem Feld‘, lehrt der fromme Abu Hanifa, dem jeder Gläubige gehorcht.“
    „So ist dein Name makasch (Nichts), und ich werde ihn erst dann gebrauchen, wenn ich überzeugt bin, daß du ihn verdienst!“
    Ich begann zu ahnen, daß der gute Hassan el Kebihr trotz seiner riesigen Gestalt und des Waffenarsenals, welches er um sich hängen hatte, ein höchst unschädliches Menschenkind sei. Die Wüste hat ihre Renommisten ebenso wie die Bierbank oder der Salon.
    „Ich habe ihn verdienst, sonst hätte ich ihn nicht, Sihdi“, antwortete er stolz. „Sieh diese Flinte, diese Pistolen, diese Muzra (Messer), dieses Kussa (zweihändiges Schwert) und dieses Abu-Thum (Lanze), vor dem selbst der
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