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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln
Autoren: Karl May
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einem Fremden so ohne alle vorherige Anmeldung in diesem Raum Zutritt gestattete. Kaum aber hatten sie meinen Namen gehört, so machte diese Überraschung dem Ausdruck unverhohlener Freude Platz.
    Madame eilte zu mir heran und ergriff meine Hand.
    „Welch ein Glück, Monseigneur, daß Sie endlich kommen! Unsere Sehnsucht nach Ihnen ist grenzenlos gewesen. Nun aber dürfen wir ruhiger sein, denn Sie werden unserm wackeren Bothwell nacheilen und ihm helfen, Rénald zu finden!“
    „Gewiß, Madame, werde ich dies tun, wenn Sie es wünschen, nur bitte ich Sie, mir zu sagen, wer Rénald ist und was für eine Bewandtnis es mit ihm und Emery hat, den ich hier zu treffen hoffte!“
    „Sie wissen es noch nicht, wirklich noch nicht? Mon dieu, die ganze Stadt weiß es ja schon längst!“
    „Aber, Blanche“, fiel Latréaumont ein, „magst du nicht bedenken, daß Monseigneur jedenfalls soeben erst mit der Messagerie angekommen ist?“
    „Vraiment, das ist wahr! Sie können noch nichts wissen. Bitte, nehmen Sie Platz, und, Clairon, begrüße doch unsern Gast!“
    Die junge Dame verneigte sich mit verbindlicher, beinahe respektvoller Höflichkeit, und ich wurde von der Mutter zu einem Sitz geleitet. Der Empfang war geheimnisvoll, und ich sah dem Kommenden mit wirklicher Erwartung entgegen.
    „Sie finden uns in einer Situation“, begann Latréaumont, „welche uns gebietet, von den gewöhnlichen Formen abzusehen. Emery hat uns sehr viel, sehr viel von Ihnen erzählt, was bei seiner verschlossenen Weise für uns eine Veranlassung ist, Ihnen unser ganzes und vollständiges Vertrauen zu schenken.“
    „Ja, unser ganzes und unerschütterliches Vertrauen, Monseigneur“, bekräftigte Madame, nach dem höflichen Gebrauche des Südens das Monseigneur an Stelle der einfachen Monsieur setzend. „Sie haben so viel Schlimmes mit unserm Neveu gewagt, daß Sie wohl auch nicht vor der Erfüllung unserer Bitte zurückschrecken werden.“
    Ich mußte beinahe über die rasche Art und Weise lächeln, in welcher diese liebenswürdigen Leute über mich verfügten, die ich zwar noch nicht kannte, welche aber nach den Worten der Dame mit irgendeiner Gefahr für mich verbunden sein mußte.
    „Mesdames und Monseigneur, gestatten Sie mir, mich Ihnen für alles, was Sie von mir wünschen, zur Verfügung zu stellen!“ bat ich.
    „Eh bien! Nach dem, was wir von Ihnen hörten, konnten wir nichts anderes erwarten, obgleich ich Ihnen zu unserer Entschuldigung sagen muß, daß unsre Bitte keine selbständige ist, sondern uns von Bothwell diktiert wurde.“
    „Liegt es in meiner Macht, so wird sie erfüllt!“ antwortete ich einfach.
    „Ich danke Ihnen, Monseigneur!“ sprach Latréaumont. „Wir haben einen großen Verlust, ein fürchterliches Unglück erlitten – – –“
    „Ja ein fürchterliches, ein gräßliches Unglück, Monseigneur“, fiel Madame ein, indem ihr die Tränen aus den Augen brachen.
    Auch Clairon, die Tochter, zog ihr duftendes Taschentuch, um ein sich hervordrängendes Schluchzen zu verbergen.
    „Bitte sprechen Sie, Madame!“
    „Nein, ich kann es nicht erzählen; der Kummer raubt mir die Worte dazu!“
    Die kleine, zarte Dame zeigte auf einmal eine Erschütterung, welche so tief war, daß sie mich beinahe beängstigte.
    „Bitte, Monseigneur, lassen Sie mich hören!“ bat ich darum Latréaumont.
    „Kennen Sie die Imoscharh?“ fragte er, fügte aber sofort in der lebhaften südlichen Weise hinzu: „Doch nein, Sie können sie ja nicht kennen, da Sie heute erst hier ankamen; aber ich sage Ihnen, diese Imoscharh oder Tuareg sind ein fürchterliches Volk, und dieKarawanenstraße von Aïn Salah nach Ahir, Dschennah und Sakkatu, auf welcher ich meine Güter nach dem Sudan schicke, geht grad durch ihr Gebiet. Mein Haus ist das einzige in Algier, welches direkte Beziehungen nach Timbuktu, Pullo, Haussa, Bornu und Wadaï unterhält, und da wir fern von jeder Straße liegen und nur erst in Aïn Salah oder Ghadames und Ghat Anschluß finden, so ist die Unterhaltung so unsicherer Handelsverbindungen oft mit schweren Opfern und Verlusten verbunden. Das Schwerste aber hat uns mit der letzten Kaffilah(Handelskarawane) betroffen.“
    „Sie wurde von den Tuareg überfallen?“
    „Sie raten richtig, Monseigneur. Die Gum (Raubkarawane) griff sie auf und machte alles nieder. Nur einer entkam; er hatte sich gleich bei Beginn des Kampfes tot gestellt und brachte mir die Nachricht von dem fürchterlichen Schlag, der meine Familie
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