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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln
Autoren: Karl May
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kommst, wo sie wohnen.“
    „Warum hast du da den Sihdi Emir nach dem Bab-el-Ghud gehen lassen? Sie werden ihn verschlungen haben, ehe wir ihn erreichen!“
    Diese unerwartete Entgegnung brachte ihn doch in einige Verlegenheit, aber er wußte sich zu helfen.
    „Ich werde für ihn beten!“
    „Für einen Ungläubigen? Gut, Hassan, ich sehe, daß du ein frommer Sohn des Propheten bist; bete auch für mich: für ihn den Surat en nas und für mich den Surat el falak, dann brauchen wir uns vor den Djinns der Wüste nicht zu fürchten. Ich werde aufbrechen morgen, wenn die Sonne sich erhebt.“
    „Allah akbar, Gott ist groß, Sihdi! Er kann alles und darf alles; der Mensch aber muß ihm gehorchen und darf keine Reise antreten zur Zeit der Morgenröte. Die Zeit des Aufbruches ist drei Uhr nachmittags oder das heilige Assr, zwei Stunden vor dem Abend.“
    „Du vergißt, Hassan, daß diese Zeit nur den Karawanen gilt; der einzelne Reisende aber kann gehen, wenn es ihm beliebt.“
    „Sihdi, du bist wirklich ein großer und gelehrter Fakih (Gesetzkundiger), und ich beklage die Stunde, welche dir einen Franken zum Vater und eine Christin zur Mutter gegeben hat. Ich sehe, daß du ein Hafizh bist, der nicht allein den Koran, sondern auch den Ilm tefsir el Koran auswendig kennt, und werde dir treu und gehorsam sein und dich führen, wohin du willst!“
    „Was hast du für Tiere?“
    „Keines, Sihdi. Ich ritt mit zwei Djemmels (Kamelen) von Zinder ab; das eine stürzte mir in der Tehama (flachen Wüste) und das andere war, als ich hier anlangte, so abgetrieben, daß ich es verkaufen mußte.“
    „So werden wir mit der Steppenpost von hier nach Batna gehen und von dort mit der Wüstenpost über den Djebel-bou-Rezal nach den achtzehn Oasen des Siban, wo wir uns in Biskara mit guten Hedjihns (Reitkamelen) versehen können. Also halte dich bereit, früh mit der Sonne aufzubrechen, und überzeugst du mich bis Bab-el-Ghud von deiner Tapferkeit, so werde ich mich nicht weigern, dich Djezzar-Bei und el Kebihr zu nennen!“
    „Meinst du vielleicht, Sihdi, daß ich ein Tuschan (Hasenfuß) bin? Ich fürchte weder den Löwen noch den Smum (Wüstenwind); ich fange die Assaleh (gefährlichste Schlange der Steppe) und den Vogel Strauß; ich jage die Gazelle und das Gnu, und ich töte den Panther und den Skorpion. Wenn meine Stimme erschallt, so zittert jedermann, und auch du wirst mir den Namen nicht versagen, der mir gebührt. Sallam aaleïkum, Friede sei mit Euch!“
    Nach einer tiefen Verbeugung verließ er das Zimmer.
    Madame Latréaumont trat abermals auf mich zu und faßte meine Hand.
    „Also wirklich, Sie erfüllen unsere Bitte, Monseigneur, obgleich dieselbe so groß und so kühn ist? Und schon morgen wollen Sie fort, ohne zuvor unsere Gastfreundschaft zu genießen?“
    „Madame, wir befinden uns in einer Lage, welche schnelles Handeln erfordert, und wenn Sie mir erlauben, werde ich Sie nach unserer Rückkehr um Ihre Gastfreundschaft ersuchen. Vielleicht gestatten Sie mir, bis dahin diejenigen meiner Effekten, welche ich nicht mitnehmen kann, bei Ihnen einzustellen!“
    „Sûr, assurément, Monseigneur! Ich werde sofort nach dem Schiff senden, um alles, was – – –“
    „Pardon, Madame, ich stieg bereits im Hotel de Paris ab.“
    „Wirklich, das taten Sie? Wissen Sie, Monseigneur, daß dies eine große Beleidigung für uns ist?“
    Ich hatte einige freundliche Vorwurfe zu hören, dann wurde die Angelegenheit einem Diener übergeben. Eben war ich bereit, mich in das mir angewiesene Zimmer zurückzuziehen, als ein Araber gemeldet wurde, welcher mit Monseigneur zu sprechen wünsche. Der Mann wurde in meiner Gegenwart im Sprechzimmer empfangen.
    Er war von langer, hagerer und sehniger Gestalt. Sein Burnus war außerordentlich mitgenommen; die ausgefransten Kamelhaarschnüre hingen ihm in Fetzen um die Kapuze, und jeder Zollbreit an ihm zeigte den echten Wüstensohn, der vor keiner Gefahr zurückbebt und jede Entbehrung mit Gleichmut zu ertragen weiß.
    „Sal – aaleïk –!“ grüßte er mit stolzer Abkürzung der beiden Worte. Nicht die leiseste Neigung seines Hauptes ließ sich bemerken; der Kolben seines langen Gewehres klang mit rücksichtlosem Ton auf den Marmorfliesen, und sein dunkles Auge flog mit einem Blick, in welchem sich die Überlegenheit des freien Mannes und Rechtgläubigen aussprechen sollte, von einem zum anderen.
    „Sprechen Sie mit ihm, Monseigneur“, raunte mir Latréaumont zu. „Es ist der
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