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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln
Autoren: Karl May
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nicht!“
    „Du hast bereits zweimal ja gesagt und doch gelogen. Schwöre es mir!“
    „Ich schwöre es!“
    „Bei der Seele deines Vaters?“
    „Bei – der Seele meines – Vaters!“ stieß er zögernd hervor.
    „Und beim Barte des Propheten!“
    Jetzt wurde er vollständig verlegen.
    „Ich habe geschworen; das ist genug!“
    „Du hast geschworen bei der Seele deines Vaters, die nicht mehr wert ist als die deinige. Für beide zusammen gebe ich nicht eine einzige Sisch oder Bla halef (verkrüppelte Dattel), und ein Schwur bei ihnen ist kein Sandkorn wert, deren doch die Wüste voll ist vom Aufgang bis zum Niedergang. Schwörst du beim Barte des Propheten?“
    „Nein.“
    „So ist dein Wort wieder Lug und Trug, und du wirst die Sterne der Wüste nicht wieder sehen.“
    Sein Auge leuchtete auf.
    „Wisse, Ungläubiger, daß die Seele des Gefangenen zur Dschehennah (Hölle) fahren wird, wenn ich nicht bis zur rechten Zeit beim Hedjahn-Bei eingetroffen bin; dieses schwöre ich dir allerdings beim Barte des Propheten, der seine Gläubigen zu schützen weiß!“
    „Dann wird deine Seele ihr vorangehen, und die Gebeine des Karawanenwürgers und seiner Gum werden bleichen im Sonnenbrande, das schwöre ich dir bei Jesus, dem Sohn Mariens, den ihr Isa Ben Marryam nennt, und der mächtiger und größer ist als Mohammed; denn ihr selbst sagt, daß er sich einst auf die Moschee der Ommijaden zu Damaskus niederlassen wird, um zu richten alle Kreaturen der Erde, der Luft und des Wassers!“
    Er warf den Kopf empor und fuhr sich mit den Nägeln der geöffneten Rechten rasch unter den Bart, bei den Beduinen die Gebärde der vollständigsten Verachtung.
    „Ihr werdet alles bringen, was wir verlangen! Ich war zweimal bei euch, und ihr habt es nicht gewagt, eure Hände an den Gesandten des Hedjahn-Bei zu legen; ihr werdet es auch heute nicht tun. Hundert Männer wie du vermögen nicht, ihn zu besiegen, und tausend Männer deinesgleichen werden seine Gum nicht überwinden, denn du bist – ein Giaur!“
    Ich trat sofort mit erhobener Faust auf ihn zu.
    „Ist dein Kopf leer und dein Geist verdorrt, daß du es wagst, mir dieses Wort zu sagen, du, der du nichts bist als ein Kelb (Hund), den man zur Erde schlägt?!“
    Er ließ sofort die Flinte zur Erde gleiten und erhob die beiden Arme. An jedem Handgelenk hing ihm ein scharfes, spitzes Kussa (Messer) von wohl acht Zoll Klingenlänge. Während der gewöhnliche Beduine nur ein solches Messer trägt, führt der Wüstenräuber deren zwei, welche er in der Weise gebraucht, daß er den Feind umarmt und ihm die beiden Klingen dabei in den Rücken stößt. Mein Tuareg hielt sich zu demselben Verfahren bereit.
    „Willst du das Wort widerrufen?“ fragte ich.
    „Ich sage es noch einmal, Giaur!“
    „So falle nieder vor dem Giaur!“
    Noch ehe er eine Bewegung machen konnte, traf ihn meine Faust auf die Stirn, er knickte zusammen und sank besinnungslos zu Boden. Es war dies ganz derselbe Jagdhieb, wegen dessen man mich in der Prärie Old Shatterhand genannt hatte.
    „O mon Dieu!“ kreischte Madame auf, „Sie haben den Mann erschlagen; er ist tot; vollständig tot!“
    Mademoiselle lag in halber Ohnmacht auf dem Diwan, neben welchem sie gestanden hatte, und Latréaumont war sprachlos und machte ein Gesicht, als ob der Blitz grad vor ihm in den Boden gefahren sei.
    „Keine Sorge, Madame“, tröstete ich; „dieser Geselle lebt noch, wenn ihm auch die Besinnung für einige Zeit abhanden gekommen ist. Ich kenne meine Faust genau; wäre es meine Absicht gewesen, ihn zu töten, so hätte ich ein wenig weiter ausgeholt.“
    Diese Worte brachten den erschrockenen Franzosen wieder zu Atem.
    „Aber Sie sind ja ein Gigant, ein wahrer Goliath, Monseigneur! Bei mir hätte es wenigstens einiger hundert Hiebe bedurft, um diesen Mann par terre zu bringen!“
    Das kleine Männchen, welches mir kaum bis zur Schulter reichte und die Hände eines Kindes besaß, hatte jedenfalls recht. Er hätte wohl Monate lang auf dem Schädel des Tuareg herumhämmern können, ohne ihm einigermaßen weh zu tun.
    „Bitte, Monseigneur“, erwiderte ich, „sorgen Sie dafür, daß dieser Beduine gebunden und der Polizei überliefert werde: ihre Gewalt reicht zwar nicht bis in die Wüste; hier aber wird sie sich Ihnen gern zur Disposition stellen.“
    Er sah mich ganz überrascht an.
    „Ist das Ihr Ernst, Monseigneur?“
    „Gewiß!“
    „Mon ciel, das dürfen wir doch nicht tun, denn dann wird der
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