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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday
Autoren: Monica McInerney
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    Hobart, Tasmanien, 1979

    Der Tag, der den Zerfall der Faraday-Familie einläuten sollte, ließ sich zunächst ganz gewöhnlich an.
    Juliet, mit dreiundzwanzig die älteste der fünf Faraday-Schwestern, war als Erste in der Küche und machte wie immer für alle das Frühstück. Es gab Rührei und dazu gebuttertes Toastbrot, in Dreiecke geschnitten. Juliet bestreute alles mit Petersilie, gab knusprige Speckwürfel und einen Klecks Sahne zu den Eiern und garnierte die Teller mit Paprikastreifen. Den Tisch deckte sie mit Silberbesteck und weißen Servietten, stellte eine kleine Kristallvase mit einer der letzten Blüten ihres Rosenstrauchs darauf und legte die feuchte Ausgabe des Mercury daneben, die täglich noch vor der Morgendämmerung über den Zaun geworfen wurde. Der große Teekessel aus Steingut, der von ihrer Großmutter stammte, stand in der Mitte des Tischs auf einem Untersatz aus Huon-Kiefer, der einen angenehm holzigen Duft verströmte.
    Juliet trat zurück. Sie war mit dem Gesamtbild sehr zufrieden. Ihr neuer Chef, der Besitzer eines Cafés im Stadtzentrum, hatte sie nämlich um Vorschläge für die Speisekarte gebeten. Sie machte gleich einen Eintrag in ihr Notizbuch: »Englisches Frühstück???« Ein Kipper wäre das i-Tüpfelchen gewesen, doch Räucherheringe waren in Hobart schwer zu bekommen. Außerdem rochen sie, wenn Juliet sich recht erinnerte, ziemlich streng.
    Die einundzwanzigjährige Miranda kam als Nächste in die Küche, in der weißen Uniform einer Drogeriegehilfin und bereits vollständig geschminkt – schwarzer Eyeliner, falsche Wimpern und sehr roter Lippenstift. Sie schaute sich um.
    »Was bist du doch an uns vergeudet, Juliet. Du könntest einer anderen glückvollen Familie das perfekte Dienstmädchen sein.«
    Geistesabwesend schnallte sie ihren Gürtel ein wenig enger. Vor zwei Monaten hatte ihr ein Parfumvertreter ein Kompliment für ihre schlanke Taille gemacht. Seither achtete sie sehr auf ihre Linie. Miranda arbeitete in einer Drogerie und bekundete gerne laut ihr Interesse an einem Studium der Pharmazie, im Stillen jedoch reizte sie der Zugriff auf günstige Kosmetik und die vielen Pröbchen sehr viel mehr.
    Juliet war auch schon für die Arbeit angezogen. Sie trug einen schwarzen Rock mit weißer Bluse, darüber zum Wärmen ihren roten Bademantel. Sie ignorierte Mirandas Bemerkung. »Englisches Frühstück, Madam?«, fragte sie.
    »Lieber fresse ich einen Besen«, gab Miranda zurück und nahm sich die Zeitung.
    Eliza, neunzehn, die Dritte im Bunde, erschien als Nächste. In Sportkleidung. Vor ihren Vorlesungen absolvierte sie jeden Morgen erst einmal einen Lauf von vier Kilometern. »So lautet das Sprichwort aber nicht.«
    »Jetzt wohl. Lieber fresse ich einen Besen, als dass ich mir von einem blinden Huhn die Butter von Juliets Toast nehmen lasse.«
    Juliet sah Eliza an. »Wünschen Sie englisches Frühstück, Madam? Toast? Kaffee oder Tee?«
    »Von allem etwas, danke. Und Tee bitte. Vor mir liegt ein harter Tag.« Eliza studierte Sport. Während der Woche trainierte sie außerdem zwei weibliche Basketballteams der Junioren. Am Wochenende nahm sie an Cross-Country-Läufen teil. Einzig am Sonntagmorgen, wenn sie in die Kirche ging, sah ihre Familie sie einmal nicht im Sportdress, aber auch das geschah immer seltener. Eliza setzte sich an ihren Stammplatz. »Aus welchem Grund tust du dir das bloß jeden Morgen an, Juliet?«
    »Praxis, und wegen eines ausgeprägten Verantwortungsgefühls für unsere Familie. Es ist eine gute Vorbereitung für später, wenn ich einmal selbst ein Café habe.«
    »Ach, tatsächlich?«, sagte Miranda. »Wenn du nun Bestatterin werden wolltest, würdest du uns dann jeden Morgen einbalsamieren?« Sie stieß ihren Löffel in eine Grapefruit und ignorierte Elizas Aufschrei, als Fruchtsaft über den Tisch spritzte.
    »Noch so eine komische Bemerkung, Miranda, und ich platze vor Lachen.« Juliet machte den Toast für Eliza und stellte sich ans Fenster. Sie zog den Morgenmantel fest um sich. Durch einen Spalt im Fensterrahmen drang ein kühler Luftzug herein.
    Es war Herbst, und mit jedem Tag wurde es ein wenig kälter. Das hölzerne Haus der Faradays wurde von einem Kamin im Wohnzimmer und einem in der Küche beheizt. Sie wurden jedoch in der Frühe nicht angezündet. Brennmaterial war viel zu teuer. Der Morgen war klar und frisch, die Sonne schien, noch leuchtete sie durch die gelb-roten Blätter der Hecke. Der Rasen war mit Raureif bedeckt. Der Winter,
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