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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln
Autoren: Karl May
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zu wollen! Auf sie können wir uns gar nicht verlassen. Ich gestehe, daß ich mich in großer Verlegenheit befinde!“
    „Die sehr bald zu Ende gehen wird, denn ich habe nicht die Absicht, Ihnen mit meiner Person Schwierigkeiten zu bereiten. Sagen Sie mir vorher das eine: Können Sie die Auslieferung des Kysrakdar verweigern?“
    „Nein; er ist türkischer Untertan.“
    „Gut, so liefern Sie uns einfach aus!“
    „Das sagen Sie, weil Sie die Gefahr, in welcher Sie sich befinden, unterschätzen. Hören Sie?“
    Er machte mich auf den Lärm draußen aufmerksam. Ich hörte rufen:
    „Es Sabbi, es Sabbi! Kristianlar dyschary, dyschary Kristanlar – der Verfluchte, der Verfluchte! Die Christen heraus, heraus mit den Christen!“
    Das klang freilich nicht ungefährlich. Wenn wir in die Hände dieses aufgeregten mohammedanischen Pöbels gerieten, waren wir unsers Lebens nicht sicher.
    „Hat Ihr Haus nur einen Ausgang?“ fragte ich darum.
    „Nein. Man kann durch den Garten auf eine hintere Gasse kommen.“
    „Und wie viele Polizisten hat der Kadi geschickt?“
    „Sechs.“
    „So mögen drei uns durch den Garten bringen, und die andern drei können die Menge beruhigen, indem sie den guten Leuten sagen, daß wir uns bereits beim Kadi befinden.“
    „So geht's, ja, so geht's, Monsieur! Und damit Sie nicht etwa denken, daß ich Sie verlassen will, werde ich Sie zum Kadi begleiten.“
    „Sehr gut, Monsieur! Unsere Unschuld muß sich auf alle Fälle herausstellen, aber es ist sehr leicht möglich, daß ich Ihres Beistandes nicht entraten kann.“
    Zwei Minuten später gingen wir, nämlich der Konsul, der Kysrakdar und ich, von drei Polizisten begleitet, durch den Garten und mehrere sehr wenig belebte Gassen nach der Wohnung des Kadi, welche auch eine hintere Tür hatte, die wir natürlich benutzten. Ich hatte alles mit, was mir gehörte, auch mein Doppelgewehr. Wir wurden über einen weiteren Hof geführt, in welchem eine große Menge Menschen stand. Es war heute Gerichtstag, und im Orient ist es einem Schauspiel gleichgeachtet, den Gerichtsverhandlungen beizuwohnen, die Richtersprüche zu hören und der sofortigen Vollstreckung derselben, wobei es viele Prügel setzt, zuzuschauen. Dann kamen wir in ein größeres Gemach, welches das Amts- und Arbeitszimmer des Kadi bildete. Er befand sich in demselben; niemand war bei ihm. Dieser Vertreter der großherrlichen Gerechtigkeit war ein dicker Türke mit wohlwollendem Gesichtsausdruck; die Gutmütigkeit blickte ihm aus den Augen. Er bewillkommnete den Konsul, indem er ihm die Hand schüttelte und auf ein Sortiment gestopfter Tabakspfeifen deutete, welche auf einem Teppich neben einem glimmenden Kohlenbecken lagen. Den Kysrakdar schien er als Abtrünnigen nicht zu sehen. Mich aber musterte er scharf und sagte dann:
    „Wenn du das Geld gestohlen hast, so sag's lieber gleich; ich bekomme es doch heraus!“
    Anstatt der Antwort gab ich ihm meinen Tenbih und setzte mich neben dem Konsul nieder, um mir, ebenso wie dieser, eine Pfeife anzubrennen. Dieses mein Verhalten und der Inhalt der Schrift machte den Kadi verlegen. Er rieb sich erst die Stirn, dann die Nase; nachher kratzte er sich hinter dem Ohr und meinte:
    „Diese Angelegenheit scheint freilich ganz anders beschaffen zu sein, als ich dachte! Nicht?“
    „Möglich“, antwortete ich. „Wie hast du dir ihre Beschaffenheit denn gedacht?“
    „Daß du der Spitzbube bist.“
    „Ja, dann war's freilich sehr einfach! Ich bekam zunächst ganz gehörige Prügel und wurde dann für eine Reihe von Jahren eingesperrt. Leider bin ich aber erstens dieser Spitzbube nicht, und zweitens müßte diese Sache, da ich ein Deutscher bin, vor einer ganz andern Stelle verhandelt werden.“
    „Aber du warst gestern bei Osman Bei, der Mir Alai ist und den man den Einsiedler nennt?“
    „Ja. Ich habe ihm das Geld gebracht, welches mir Said Kaled Pascha für ihn anvertraute.“
    „Erzähle mir, wann du zu ihm gekommen, wieder von ihm gegangen bist und was während deiner Anwesenheit bei ihm geschehen ist!“
    Ich kam dieser Aufforderung nach, indem ich ihm einen ausführlichen Bericht gab. Am Schluß desselben erwähnte ich die beiden Reiter, welche ich vor den ersten Häusern von Urumdschili gesehen und für die beiden Arnauten gehalten hatte. Er hörte mir aufmerksam zu, las meinen Tenbih noch einmal durch, schlug mit der äußern Handfläche gegen das Papier und sagte:
    „Deine Erzählung und dieser Tenbih beweisen alles. Ein Mann,
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