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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht
Autoren: Stephanie Seidel
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verunsichern schien. Mit der Hand am Hut sah sie zu den Wolken hoch, als hätte sie Angst vor einem Schauer. Dann wechselte sie auf den Reitweg, der die mächtige Straße durchzog und von Bäumen flankiert war. Den Schirm brauchte sie dort nicht.
    Plötzlich tauchten zwei Männer auf. Sie trugen schwarze Uniformen, und Fräulein Ida musste nicht lange hinsehen, um zu wissen, wer ihr da entgegen kam: Angehörige der SS.
    Die junge Frau versuchte ruhig weiter zu gehen. Doch sie schaffte es nicht. Sie hatte etwas zu verbergen und glaubte, man könne ihr das irgendwie anmerken, da halfen weder Vernunft noch Routine. Die blonden Henker sahen so harmlos aus mit ihrem offenen Blick und den freundlichen Gesichtern. Keine Warnung , das war es, was diese satanische Brut so entsetzlich machte.
    Fräulein Ida trat zur Seite, ein bisschen zu schnell, ein bisschen zu nervös. Dabei entglitt ihr die Handtasche.
    Sofort stürzte einer der Offiziere heran und bückte sich danach. Unter seinem Griff sprang die Tasche wie zufällig auf. Fräulein Ida lächelte unsicher, während der Mann den Inhalt Stück für Stück vom Reitweg klaubte.
    Als er fertig war, gab er ihr die Tasche zurück und knallte die Hacken zusammen.
    »Heil Hitler!«, sagte er.
    Ida Kuhlemann erwiderte den Gruß ohne Zögern. In Deutschland galt zu der Zeit eine einfache Regel, die Tarnung betreffend: wer Skrupel hatte, starb.
    Die Männer trollten sich, und Fräulein Ida ging weiter.
    Sie war beunruhigt. In ihrer Handtasche konnte gar nichts anderes sein als persönliche Gegenstände, denn sie wurde – Abstammungsnachweis hin oder her – jeden Abend beim Verlassen der Behörde kontrolliert. War der Verschluss also von allein aufgesprungen und die ganze Begegnung nur Zufall gewesen? Oder hatte jemand Verdacht geschöpft?
    Es kostete viel Kraft, sich nicht umzudrehen.
    Nieselregen setzte ein, und Fräulein Ida beschleunigte ihre Schritte. Ein alter Mann kam ihr entgegen. Er zog einen Bollerwagen hinter sich her und hob im Vorbeigehen kurz den Kopf. Fräulein Ida überlief es heiß.
    Der Alte hatte ihr direkt in die Augen gesehen. Als würde er sie kennen.
    Dicke Tropfen fielen zu Boden. Ein Marineoffizier betrat den Reitweg. Er blieb unter den Bäumen stehen, wo er umständlich mit seinem Schirm hantierte, und auch er sah Fräulein Ida an. Ohne zu lächeln. Eher verwundert. Sie hatte Mühe, nicht in Panik zu geraten.
    Ein junges Paar näherte sich. Die beiden hatten es eilig, denn inzwischen pladderte kalter Frühlingsregen vom Himmel über Berlin. Im Laufen zog der Mann seinen Mantel aus und breitete ihn über den Kinderwagen, den seine Frau schob. Dann nahm er ihr den Wagen aus der Hand, damit sie ihren Schirm öffnen konnte.
    Es war ein dunkelblauer Schirm. Er sah genauso aus wie der, den Fräulein Ida jeden Moment aufspannen musste, wenn sie keinen Argwohn erregen wollte. Sie blieb stehen und klemmte ihre Tasche unter den Arm.
    Es ging alles sehr schnell. Das Paar war auf gleicher Höhe, da fiel Fräulein Idas Handtasche herunter. Sie bückte sich danach, und prompt fiel auch der Schirm hin.
    Die fremde Frau, des Kinderwagens ledig, beugte sich herunter. Mit dem eigenen geschlossenen Schirm in der Hand ergriff sie den am Boden. Sie gab Fräulein Ida den Falschen zurück und ging gleich weiter.
    Währenddessen hatte der Mann aus dem abgedeckten Kinderwagen einen Schirm gezogen. Er war groß genug für beide, und so hängten sie Fräulein Idas Schirm ungeöffnet an den Griff. Bei erster Gelegenheit würde er im Versteck verschwinden – zusammen mit dem sorgfältig gerollten Aktenvermerk, der zwischen seinen Falten klemmte.
    Er war an Walter Schellenberg adressiert, den Leiter des Militärischen Geheimdienstes, und er enthielt alle Informationen über die neue Spur. An den Schreibmaschinen von Fräulein Idas Behörde ließ sich keine unerlaubte Zweitkopie erstellen, doch das war auch nicht nötig. Man musste nur das Blaupapier aus dem Papierkorb fischen, ehe er abgeholt wurde.
    Sekretärinnen waren mit solchen Dingen vertraut. Ihre Chefs nicht.
    ***
    Zwei Wochen später landete der Aktenvermerk auf dem Schreibtisch von Ronald Hayes, dem Chef des britischen MI6 (britischer Auslandsgeheimdienst, dessen Agenten Ränge der Marine tragen). Hayes hatte längst aufgehört, sich über die unerklärliche Begeisterung der Nazis für mystische Gegenstände zu wundern. Es war ihm auch egal, dass sie nach dem Reinfall mit der Bundeslade nun nach einem alten englischen Schwert
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