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1664 - Die Schöne und die Grausame

1664 - Die Schöne und die Grausame

Titel: 1664 - Die Schöne und die Grausame
Autoren: Jason Dark
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Unwohlsein zu spüren. Es ist nicht jedermanns Sache, im Mittelpunkt zu stehen und von zahlreichen Augenpaaren angestarrt zu werden. Elena legte ihre Handflächen gegeneinander, als wollte sie beten.
    »Bitte«, sagte sie, »was ist denn Schlimmes daran, zu uns auf die Bühne zu kommen? Ich verspreche Ihnen, dass sich niemand blamieren wird. Sie brauchen auch keinen Text zu lernen, denn Tabea und ich werden viel improvisieren.«
    Ein Mann in der ersten Reihe hob zaghaft den linken Arm.
    »Ahhh - da ist ja ein mutiger Mann. Wunderbar! Ich denke, er hat einen Applaus…«
    »Nein, nein«, rief der Mann, »auf keinen Fall! Ich habe nur mal eine Frage.«
    »Bitte, ich höre.«
    Der Melder räusperte sich. »Ich wollte nur fragen, was das für eine Performance ist, in der jemand von uns mitspielen soll. Ein paar Stichworte wären recht nett.«
    Elena lächelte, bevor sie lachte und danach sagte: »Ich kann Sie ja verstehen, aber ehrlich gesagt, Sie müssen auch mich verstehen. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Es soll eine Überraschung sein. Ich kann Ihnen versprechen, dass es interessant werden wird. Wir haben uns gedacht, dass Sie so etwas wie eine Reise zwischen zwei Extremen machen. Auf der einen Seite das Gute, auf der anderen das Grausame. Spielerisch werden Sie den Kampf zwischen den beiden Gewalten erleben. Das muss genügen, um Ihre Neugierde zu erwecken. Oder sehe ich das falsch?«
    Der Melder gab eine Antwort. »Danke, ich verzichte zugunsten anderer. Ist nicht mein Ding.«
    Einige aus dem Publikum lachten, und Elena King hob die Schultern.
    »Schade«, sagte sie, »das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt.« Sie wirkte sehr betrübt und nickte vor sich hin, wobei sie die Schultern anhob. »Wenn das so ist, muss ich wohl jemanden bestimmen, und da kenne ich kein Pardon. Wenn ich jemanden ausgesucht habe, dann muss er zu mir auf die Bühne kommen. Ein Zurück gibt es nicht.«
    Die letzten Worte waren mit einer Schärfe ausgesprochen worden, die keinen Widerspruch duldete, und das hatte auch Tim Helling gehört. Jedes Wort, jede Geste seiner geliebten Elena hatte er verfolgt, und er hatte auch bemerkt, dass sie ihn öfter angeschaut hatte als die übrigen Zuschauer.
    So kannte er Elena nicht. Sie war zu einer ihm fremden Person geworden. Sie strahlte eine Selbstsicherheit aus, die ihm völlig fremd war.
    Er wollte den Blick senken und sich klein machen, aber das war nicht zu schaffen. Irgendwie schien er unter einem Bann zu stehen, und das berührte ihn schon. Die übrigen Zuschauer blickten sich gegenseitig an. Sie warteten darauf, dass der eine oder andere sich meldete, was nicht der Fall war. So nahm Elena die Sache wieder in die Hand.
    »Also nicht - oder?« Sie klatschte in die Hände, um noch mal die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu ziehen.
    Keine Meldung.
    »Schade, schade«, kommentierte sie. »Gut, dann muss ich mir selbst jemanden aussuchen. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass die weiblichen Gäste außen vor sind.«
    Einige atmeten auf. Es gab auch Frauen, die leise lachten und jetzt wieder ihren Spaß hatten.
    »Bleiben die Männer!«, stellte Elena fest.
    Auch Tim hatte jedes Wort gehört. Er spürte bereits jetzt, dass sich in seinem Innern etwas zusammenzog. In seinem Kopf breitete sich ein leichter Druck aus und er wagte kaum, den Blick zu heben. Als er es trotzdem tat, da sah er, dass Elena auf ihrer kleinen Bühne von einer Seite auf die andere ging.
    Plötzlich blieb sie stehen. Auch ihr Kopf bewegte sich nicht mehr. Sie blickte in eine bestimmte Richtung und Tim spürte, wie sich seine Brust noch mehr verengte. Elena schaute ihn an. Ja, nur ihn. Keinen anderen. Und dann hörte er ihre Stimme, und sie kam ihm vor, als wäre sie durch einen Nebel abgeschwächt worden.
    »Dich habe ich ausgesucht, nur dich!«
    ***
    Neben mir stöhnte Purdy Prentiss leise auf. »Das habe ich mir gedacht, John.«
    »Hast du etwas anderes erwartet?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Eben.«
    »Ich glaube nicht, dass er eingeweiht worden ist. Oder was meinst du?«
    »Ich stimme dir zu.«
    »Und was machen wir?«
    Ich runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Jedenfalls greifen wir noch nicht ein. Es ist ja noch nichts passiert.«
    »Aber es wird etwas passieren.«
    »Gut, dann reicht es noch immer.«
    Wir hatten die erste Schau erlebt, und ich musste zugeben, dass sich Elena wirklich gut geschlagen hatte. Man konnte ihr ein professionelles Verhalten bescheinigen. Aber mir war auch die Reaktion der Zuschauer
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