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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste
Autoren: Michael M. Thurner
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leidenschaftlichen Ekstasen hin.
    Der Marsch fand ein jähes Ende. Alle Schimären blieben stehen und verstummten.
    Aruula hielt die Hände vor die Augen und blickte sich um.
    Unmittelbar vor ihnen ragten gezackte Spitzen auf. War dies das Felsenrund, in dem der Schattenfelsen lag?
    »Vorwärts!«, befahl N’oia und gab ihr einen leichten Stups.
    Vorsichtig schob sich die Barbarin an den Schimärenweibern vorbei. Man machte ihr bereitwillig Platz. Sie sah erwartungsvolle, fast neidische Blicke aus gezeichneten Gesichtern, wohin sie sich auch wandte.
    Aruula erreichte eine breite Passage in der Palisade aus Felsnadeln und schritt hindurch. Augenblicklich fiel der Sandsturm zu einem kraftlosen Rieseln zusammen. Die Sicht wurde nicht wirklich besser, trotzdem erkannte Aruula den großen abgeflachten Felsen in der Mitte des weiten Runds, in das jetzt auch die restlichen Schimären strömten und sich entlang der Ränder verteilten.
    »Was jetzt?«, fragte sie N’oia, der sich nach wie vor neben ihr hielt.
    »Steige hinauf und hock dich nieder«, rief er ihr zu. »Sy’cho wird sich in wenigen Augenblicken zu dir gesellen und ein paar rituelle Fragen stellen, die du jeweils mit ›Ja‹ beantwortest. Danach stößt Moogan dazu. Er wird euch sagen und zeigen, was weiter zu tun ist.«
    »Erwartet er etwa, dass wir uns hier an Ort und Stelle… paaren?«
    »Vielleicht ja, vielleicht nein.« N’oia sah schuldbewusst – und angewidert – beiseite. »Zumindest war es bei den letzten Vermählungen so, die wir feierten.«
    Aruula wandte sich wortlos ab und marschierte auf den Felsen zu. Erregung hatte sie ergriffen; natürlich nicht wegen der Hochzeit, sondern weil der Zeitpunkt nahte, da sie es wagen konn-Nur nicht daran denken!
    Sie stieg auf den Schattenfelsen. Seiner mystischen Bestimmung konnte dieser Ort heute nicht gerecht werden. Es war kaum etwas zu sehen, und die Sonne drang nicht durch die wirbelnden Sandwolken. Aber vermutlich war Moogan die Bedeutung des Zeremoniells ohnehin egal; er folgte nur einer Tradition, bei der er seine Macht unter Beweis stellen und sich an dem kopulierenden Paar ergötzen konnte.
    Die Schimären rückten näher, füllten allmählich die Fläche rund um den Schattenfelsen. Mehr als ihre Umrisse waren jedoch nicht von ihnen zu erkennen.
    Sy’cho stieg herauf und stellte sich neben Aruula, wie es das Zeremoniell verlangte. Dabei wagte er ihr nicht in die Augen zu blicken. »Bin ich der Mann, den du begehrst?«, fragte er laut.
    Aruula benötigte einige Sekunden, um zu erkennen, dass es sich um die angekündigten rituellen Worte handelte, und antwortete mit: »Ja!«
    »Wirst du mir und dem Stamm der Schimären und unserem Herrn Moogan dienen und uns viele Kinder schenken?«
    »Ja!«
    »Dann bist du zur Heirat bereit?«
    Es kostete sie einige Überwindung, doch sie bejahte auch diesmal. Aruulas Herzschlag hatte sich so beschleunigt, dass es in ihrer Brust schmerzte. Jetzt, da der Plan kurz vor der Ausführung stand, fiel es ihr zunehmend schwer, die eigenen Gedanken zu kontrollieren. Wenn Moogan zu früh Verdacht schöpfte…
    Nein! Keinesfalls darüber nachdenken!
    Aruula musste sich ablenken. Hastig zog sie Sy’cho an sich und presste ihre Lippen auf die seinen. Die Abscheu, die sie dabei empfand, half gegen die verräterischen Ideen.
    »Dein Überschwang der Gefühle kommt mir ein bisschen plötzlich«, sagte Moogan. »Vor allem, da sie nicht echt sind!«
    Er stand wie aus dem Nichts erschienen vor ihnen, drei Schritte entfernt, lächelnd wie immer. »Ich glaube, ich werde die Zeremonie unterbrechen.«
    Nein! Nicht jetzt!, war Aruulas erster Gedanke. Doch dann erkannte sie, dass der Zeitpunkt gekommen war, zu handeln.
    Wenn nicht jetzt, wann dann?
    Sie trat einen Schritt vor. »Ich werde mich niemals deinem Diktat beugen!«, rief sie laut. »Aber ich habe Gefallen an diesem Jungen gefunden. Ich möchte mich mit ihm vereinigen!« Herausfordernd sah sie Moogan an, gespannt, ob es ihr gelang, ihn zu verwirren. »Ich habe keine Angst vor dir«, brüllte sie weiter. »Ich will den Jungen – hier und jetzt!« Ein weiterer Schritt. Der Zorn, den sie empfand und offen zeigte, war keinesfalls gespielt. Er überdeckte ihre wahre Absicht.
    Die Moogan zu ergründen suchte. Er schloss die Augen, drang mit aller Gewalt in Aruulas Gedanken vor.
    Dies war der Moment, auf den die Barbarin gewartet hatte.
    Fern der Kruste – seinem Machtzentrum –, verwirrt über ihr widersinniges Handeln und
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