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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut
Autoren: Stephanie Seidel
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dem Tritt kleiner Stiefel, und man konnte am flachen, verwischten Rand der Fersen erkennen, dass beide Personen gelaufen waren.
    In der Nähe des Mineneingangs kauerte sich Chengai hinter einen Felsen. Rai kam an seine Seite. Der Saikhan wies auf die Spuren und raunte ihm zu: »Aruula ist einem Shak'machuu gefolgt. Wahrscheinlich war es wieder das Weibchen, wie bei Neezu. Es hat die Barbarin in den Hügel gelockt.«
    »Du meinst, wir kommen zu spät?« Rai gab den anderen ein Zeichen, dass sie zurückbleiben und warten sollten. Chengai hob die Schultern.
    »Keine Ahnung«, sagte er leise. »Aber es ist sehr still hier. Zu still. Sieh dir mal die Spuren da drüben an! Das könnten Bessiiner gewesen sein. Ich frage mich, was die Aasfresser hier gewollt haben.«
    »Gute Frage!« Rai musterte nachdenklich die Pfotenabdrücke. Sie führten nach links, seine Deckung war im Weg, und Rai beugte sich ein Stück zur Seite.
    Der Angriff kam von einer Seite, mit der niemand gerechnet hätte. Chengai kannte die kleinwüchsigen Männer – er hatte schließlich einen von ihnen in den Savannenbaum gehievt –, und so hielt er den wachsamen Blick entsprechend tief am Boden. Er bemerkte zwar die kurze, schnelle Bewegung über einem der Felsen und versuchte noch, Rai zurück in Sicherheit zu reißen. Doch es war zu spät. Eine Axt schwirrte durch die Luft und landete mit dumpfem Schlag in Rais Stirn.
    Er fiel noch, als Lamak und Narayan schon ihre Pfeile abschossen. Einer traf den oberen Felsenrand, der andere schrammte haarscharf darüber hinweg. Chengai hörte, wie jemand zu Boden sprang, und zog sein Messer. Als der Mann hinter dem Felsenversteck hervorkam und zum nächsten sprintete, holte er aus.
    Onnar machte einen Hechtsprung, der ihm das Leben rettete.
    Dennoch wurde er getroffen. Die lange scharfe Klinge durchschlug sein Knie mit solcher Wucht, dass sie auf der anderen Seite wieder herauskam. Der Griff steckte wie festgenagelt im Fleisch. Onnar brüllte vor Schmerz, und sein Gesicht verfärbte sich – erst rot, dann weiß. Dann brach er zusammen.
    Chengai nutzte die Gunst des Augenblicks und rannte zu den Saikhan zurück. Lamak zog gerade einen neuen Pfeil aus dem Köcher, als sich Chengai neben ihm in Deckung fallen ließ. Der Jüngere wies nach vorn. Auf dem von Felsen übersäten Platz vor der Mine huschten Schatten umher, schwer auszumachen in der Abenddämmerung.
    »Da sind noch mehr!«, sagte Lamak leise. »Und wir drei sitzen ziemlich unklug im selben Versteck. Sie brauchen uns nur einzukreisen.«
    Narayan seufzte und wies mit dem Daumen nach hinten.
    »Da kommt Jem'shiin! Was für ein Idiot!«
    Chengai drehte sich stirnrunzelnd um. Der Russe hätte längst das Tempo drosseln müssen. Aber stattdessen trieb er sein Yakk noch an. Das massige, schwerfällige Tier donnerte auf den Platz zu, ohne dass sein Reiter es auch nur in die Nähe einer Deckung trieb. Chengais Gesicht entspannte sich.
    »Er ist kein Idiot, er ist ein shassun«, sagte er lächelnd.
    »Soll heißen?«, fragte Narayan.
    »Jem'shiin lenkt die Kerle von uns ab.« Chengai wies nach rechts und links. »Verteilt euch, wenn er heran ist. Seht zu, dass ihr ungefähr auf gleicher Höhe bleibt – und tötet alles, was sich vor euch bewegt!«
    »Ein guter Plan«, spottete Lamak und ergriff seinen Bajaatenbogen, die traditionelle Jagdwaffe der Steppenjäger.
    Sie war klein, nicht viel größer als eine Armbrust , aber von hoher Zielgenauigkeit und enormer Durchschlagskraft. Er legte auf die Felsen an. Hinter sich hörte er feuchtes Schnaufen.
    Das Yakk erreichte die Saikhan. Jem'shiin hatte ihm noch einmal heftig die Absätze in die Flanken gestoßen und war dann abgesprungen. Er schlidderte noch in Deckung, als eine Axt heranwirbelte. Sie blieb im Kopf des Yakkbullen stecken – in der Knochenwulst, aus der die Hörner wuchsen. Das mächtige Tier brüllte und bockte, doch es fiel nicht.
    Lamak hatte den Axtwerfer anvisiert und getroffen.
    Während die Saikhan im Schutze der Dämmerung auseinander huschten, stürzte von den Felsen ein kleinwüchsiger Mann in Sicht. Ennark versuchte verzweifelt, den Pfeil herauszuzerren, der seinen Arm durchbohrt hatte. Dabei rutschte sein Helm herunter und kugelte durch den Schnee. Genau vor die Hufe des nahenden Yakks.
    Für den gereizten Bullen musste es aussehen, als ob sich das lebende Hindernis teilte, um ihm den Weg abzuschneiden. Also senkte er beim Herandonnern den Kopf und spießte die größere Hälfte auf.
    Jem'shiin
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