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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut
Autoren: Stephanie Seidel
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Kräften in Sicherheit zogen, begann es unten im Stollen zu rumpeln.
    Onnar schleuderte hastig das Seilende wieder hinunter. Er sah Rrodan, der es noch zu fassen versuchte. Er sah die gigantische Wolke aus Staub und Steinen, die mit Wucht in den Schacht stieß und das Licht der Fackel auslöschte. Dann brach der gesamte Unglücksstollen ein – und Onnar sah nichts mehr.
    Kurz darauf sorgte man sich nicht nur in Lagtai um eine vermisste Frau. Auch in der Goldmine von Karachoto herrschte helle Aufregung. Onnar und seinen Brüdern blieb keine Zeit zu trauern; keine Gelegenheit, sich von ihren Strapazen zu erholen.
    Luuja war verschwunden.
    »Ich sage dir, sie ist zu den Siedlern gelaufen!«, keuchte Maan, während er hinter seinem Bruder her durch die Stollen rannte.
    Onnar hielt eine Fackel hoch und leuchtete damit in jeden noch so kleinen Winkel. »Unsinn!«, sagte er schroff. »Warum sollte sie das tun?«
    »Fragst du das ernsthaft?« Maans Augen wurden groß.
    »Ja, das tue ich.« Onnar rief nach seiner Schwester, dann wandte er sich um. »Hör zu! Ich weiß, dass Luuja die Siedler töten will aus Rache für Uubin, aber sie ist nicht so dumm, das allein zu versuchen. Welche Chance sollte sie auch haben gegen diese Männer?«
    »Keine.« Maan folgte hastig dem Älteren, der bereits weiter lief. »Deshalb versucht sie die Siedler herzulocken.«
    »Ach, das ist doch Blödsinn!«, hallte Onnars gereizte Stimme aus einem Querstollen.
    »Ist es das?«, fragte Maan, als sein Bruder zurückkam. Er packte ihn am Ärmel und hielt ihn fest. »Ich weiß, dass sie es schon gestern Nacht versucht hat! Als wir schliefen, ist sie zum Dorf gelaufen.«
    »Nein, ist sie nicht!« Onnar riss sich los. »Ich bin zwischendurch aufgewacht, da habe ich nach ihr gesehen. Sie war am Lagerplatz, wie alle anderen auch. Luuja? Luuuujaaa!«
    Maan duckte sich unwillkürlich. »Das mag sein«, rief er gegen das Gebrüll an seinem Ohr an. Es verstummte, und so dämpfte auch Maan die Stimme wieder. »Aber als ich heute Morgen Feuerholz holen wollte, konnte ich sehen, dass das Fell an ihren Stiefeln noch feucht war vom Schnee. Glaub mir, Onnar: Sie war bei den Siedlern!« Er nickte. »Das erklärt auch, warum der Knochen fehlt.«
    »Welcher Knochen?«, fragte Onnar stirnrunzelnd, und Maan sagte es ihm.
    »Ich wollte gestern neue Fackeln drehen. Also bin ich in die Vorratskammer gegangen und habe mir die Knochen der letzten Beute geholt. Du weißt schon – die großen, die man als Stock verwenden kann. Einer hat gefehlt. Luuja sagte, sie hätte ihn weggeworfen.«
    Onnar trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Man merkte ihm an, dass er keine Lust auf Unterhaltung hatte und in Gedanken längst den nächsten Stollen durchsuchte. Abwesend murmelte er: »Luuja wirft nie etwas weg.«
    »Eben«, sagte Maan.
    Onnar stand still. Er wirkte mit einem Mal unsicher. »Ich… ich kann das einfach nicht glauben! Wenn Luuja die Siedler wirklich herlocken wollte, dann hätte sie mir das doch gesagt!«
    Maan zog eine Braue hoch. »Und wie hättest du reagiert?«
    »Na, ich hätte es verboten!«, rief Onnar empört.
    »Hmm-m.« Maan nickte viel sagend und wartete. Onnar wusste ja, dass Luuja unberechenbar war und wenig Skrupel kannte, wenn es darum ging, ihren Willen durchzusetzen. Ihm musste jetzt nur wieder einfallen, dass die junge Frau zwar eine geschickte Fallenstellerin war, von der Kunst des Krieges aber keine Ahnung hatte.
    Das tat es auch, und der Tongidd wurde blass.
    »Bei Wudan – sie schleppt uns tatsächlich die Siedler ins Haus«, sagte er entsetzt. Dann warf er sich herum. »Brüder! Schnell! Holt eure Waffen!«
    ***
    Unterdessen, an der Buddha-Statue von Lagtai
    Die Sonne sank. Himmel und Steppe verschmolzen zu diesigem Einheitsgrau, das Tageslicht wurde trüber und schwächer. Irgendwo in der Dämmerung heulte ein Wolf, und das Heer der kleinen, versteckten Stellen am Boden verfärbte sich. Die Zeit der Dämonen begann. Die blaue Stunde.
    Aruula hatte den Sockel des Wintergottes erreicht.
    Vereinzelte Andronenteile ragten noch aus dem Schnee, den Rest mussten Aasfresser verschleppt haben, wahrscheinlich in der Nacht. Quer über Pfotenabdrücke und Schleifspuren verlief eine frische Fährte: kleine Stiefel, die Richtung Norden unterwegs waren. Auf den Hügel zu.
    Manchmal sah die Barbarin das Pelzmäntelchen, wie es zwischen den Felsen dahin stapfte. Es war endlich langsamer geworden, und Aruula sollte es jetzt mühelos einholen
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