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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut
Autoren: Stephanie Seidel
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Zähne zusammen, dass es knirschte.
    Diese Frau zu töten mochte seine letzte Tat sein – aber er würde sie erfolgreich zu Ende bringen!
    Onnar hob die Axt zum Wurf. Beim Anvisieren spürte er ein Kribbeln im Nacken. Es war unangenehm, und er versuchte es zu ignorieren. Doch es gelang ihm nicht.
    Onnar stutzte. Woher kam der warme Lufthauch, der so regelmäßig seinen Nacken traf? Eine Ahnung stieg in ihm auf – eine sehr, sehr üble Ahnung. Seine Hand schloss sich hart um den Griff der Axt, er spannte die Muskeln und fuhr herum.
    Hinter ihm stand die Alphawölfin. Sie wartete nicht darauf, dass Onnar zum Töten ausholte, wie er es mit den beiden Rüden getan hatte. Sie schnappte einfach zu. Ihre langen Reißzähne verbissen sich in Onnars Kehle.
    Als das Leben des Tongidds gurgelnd zwischen den Fängen der weißen Wölfin entwich, schoss ihm noch ein letztes Wort durch den Kopf.
    Weiber!
    ***
    Morgens, in Lagtai
    Beim ersten Tageslicht machte sich Aruula reisefertig. Es schneite schon wieder, die Luft war grau wie aufgewühltes Schmutzwasser, und ein eisiger Wind pfiff aus den Weiten der Steppe heran.
    Aruula schnürte ihren Mantel zu und warf einen missmutigen Blick Richtung Osten, wo sie die alte Handelsstraße vermutete. Das sah nicht nach einem Spaziergang aus, wahrlich nicht! Seufzend warf sie ihre Satteltaschen über die Schulter und richtete sich auf. Insgeheim hatte sie gehofft, man würde ihr vielleicht das zweite Yakk überlassen nach den Ereignissen der letzten Nacht, doch die Saikhan schienen das nicht in Erwägung zu ziehen. Sie standen aufgereiht vor ihr, sichtlich erleichtert, sie zu verabschieden. Es lag ein Schimmer von Respekt und Akzeptanz auf ihren Gesichtern, aber keine Zuneigung. Dafür waren die Gegensätze zu groß.
    Aruula setzte sich in Bewegung.
    Chengai trat vor und gab ihr ein Zeichen, zu warten.
    Anscheinend wollte er noch etwas sagen; man sah ihm an, wie er sein Gedächtnis durchkramte. Plötzlich erhellte sich seine Miene, und er wiederholte Jem'shiins Worte: »Maddrax – da'shanskiij!«
    Freund sollte das heißen, und Chengai fügte hinzu: »Aruula – da'shanskiij.«
    Die Barbarin lächelte. Sie holte schon Luft, um zu antworten, als am Ende der Straße ein lautes Blöken erscholl, gefolgt von einem Schrei. Rapushnik hatte Aruula entdeckt. Sie schien aus unerfindlichen Gründen sein großes Kamelherz erobert zu haben, denn er wollte zu ihr, und da spielte es keine Rolle, dass am Halfterstrick noch jemand hing.
    Rapushnik rannte los, schaukelnd wie ein Schiff im Sturm.
    Jem'shiin wurde mitgeschleift; er schrie und fluchte, doch er hielt den Strick eisern fest. Zu Füßen der Barbarin kämpfte er sich aus dem aufgeworfenen Schnee.
    »Nimm ihn mit!«, grollte er rotgesichtig. »Nimm ihn bloß mit, diesen hirnlosen Trampel! Ich brauche ihn nicht mehr! Ich hol mir lieber das Gold aus der Mine! Das macht auch reich – und es stinkt nicht!«
    Manchmal ist es gut, wenn man Worte nicht versteht. Dann hört man nämlich genauer hin und verpasst nicht die feinen Untertöne. Aruula begriff, was Jem'shiin sagte. Aber was es ihm bedeutete, ihr Rapushnik zu überlassen, das war nur im leisen, kaum merklichen Zittern seiner Stimme zu finden.
    Kurz entschlossen nahm Aruula Jem'shiins Gesicht in beide Hände und küsste ihn auf die Stirn. »Danke, da'shanskiij!«, sagte sie.
    Der shassun ließ sich in den Schnee fallen, mit verklärtem, fast idiotischen Grinsen. Er grinste noch immer, als die Barbarin längst fort war…
    ENDE
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