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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut
Autoren: Stephanie Seidel
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mochte sie sein? War sie ohne ihn zu den saikhanas gegangen? Das erschien ihm zweifelhaft, denn nach dem Vorfall gestern Abend sah es nicht so aus, als ob die Frauen sich jemals anfreunden würden.
    Zu verschieden, dachte Jem'shiin, während er ein paar Schritte vorwärts stapfte und suchend die Straße hinunter blickte. Aruula kommt mit den Sitten der Saikhan nicht klar.
    Schade eigentlich, denn es ist eine schöne Sitte, sich den Männern unterzuordnen!
    Jem'shiin wischte die lästigen Schneeflocken weg und kniff seine Augen zusammen. Wo steckt sie bloß?
    War Aruula ihm vielleicht gefolgt? Er drehte sich nach dem Kamshaa-Stall um. Nichts zu sehen. Beim Abwenden streifte sein Blick den Eingang zum alten Dorfkern, wo die Straße in ein Gewirr schmaler Gässchen zerfiel und die Hütte mit Neezus sterblichen Überresten stand. Jem'shiin seufzte. Der Boden war zu tief durchgefroren, als dass man dem armen Kerl ein anständiges Begräbnis hätte bereiten können.
    Armer Kerl – armer Idiot! Jem'shiin ballte unwillkürlich die Fäuste. Chengai hatte ihn doch gewarnt! Ach was, gewarnt –
    verboten hat er es ihm, allein loszuziehen. Und was macht der dumme Junge? Schleicht sich heimlich davon! Wollte wohl beweisen, dass er schon ein echter Saikhan ist mit seinen neunzehn Wintern. Jetzt weint sich sein Frauchen die Augen aus und macht uns Männern Vorwürfe, weil wir ihn nicht rechtzeitig gefunden haben. Dabei waren wir nur ein paar Minuten zu spät! Ein paar Minuten! Jem'shiin spuckte auf den Boden. Verfluchte Shak'machuu!
    Er stutzte. Da war eine Spur im Schnee, kaum noch zu erkennen unter dem losen neuen Flockenteppich. Sie führte hinaus in die Dämmerung; fort von der Scheune, fort von den Ställen, und hin zu… Jem'shiins Augen weiteten sich.
    »Tschart wasmi!«, hauchte er entgeistert. Unter dem Baum mit dem Köder lag eine reglose Gestalt.
    Jem'shiin rannte los. Das kann nicht wahr sein! Bitte, Wudan – nicht Aruula! Bitte nicht!
    Er rief ihren Namen, stolperte und begann zu schnaufen, während er vorwärts stürmte. Im Laufen zog er sein Messer; ein Akt der Hilflosigkeit und ohne jeden Nutzen. Sie darf nicht tot sein! Irgendwo hinter sich hörte er die Jingiis. Jem'shiin brüllte nach Verstärkung, Chengai rief etwas, dann erklang das dumpfe Stakkato galoppierender Hufe.
    Der shassun erreichte den Baum und hechtete zu der reglosen Gestalt. Es war Suresh, nicht Aruula, das hatte er längst bemerkt, doch es minderte seine Sorge nicht. Jem'shiin griff nach der jungen Frau und drehte sie um.
    Neben ihm kam in einer gewaltigen Schneefontäne Chengais Hengst zum Stehen.
    »Was ist passiert?«, fragte der Saikhan, während er vom Rücken des Jingiis glitt. Suresh richtete sich benommen auf.
    Sie stöhnte, als Jem'shiin sie vor Erleichterung abschmatzte.
    Chengai stieß ihn hart beiseite.
    »Was ist passiert?«, wiederholte er, und Suresh erzählte es ihm.
    »Einer von denen war hier«, hob sie düster an und wies auf die Leiche im Baum. Jem'shiin sah automatisch hoch, mitten hinein in das hart gefrorene, graue Gesicht. An Bart und Augenbrauen hatten sich Eiszapfen gebildet, und der Mund war noch im Tod vor Angst verzerrt. Jem'shiin spuckte aus.
    Scheiß Shak'machuu!
    Sein Herz sank, als er hörte, wer Suresh niedergeschlagen hatte – und warum!
    »Aruula muss geglaubt haben, es wäre ein Kind.« Suresh betastete ihr geschwollenes Kinn. »Wahrscheinlich ist sie hinterher gerannt. Genau wie Neezu neulich.«
    Jem'shiin und Chengai sahen sich an.
    »Bei allen Göttern!«, flüsterte der shassun. »Aruula weiß nicht, wem sie da folgt!«
    Chengai nickte, stand auf und griff nach den Zügeln seines Jingiis. »Los, Männer! Holt eure Waffen!«
    ***
    Zur selben Zeit, in Karachoto
    Onnar hatte es längst aufgegeben, nach seiner Schwester zu rufen. Wenn die junge Frau nicht antworten wollte, tat sie es nicht, und er hatte jetzt keine Zeit, sich mit ihren Launen zu befassen. Nur Orguudoo wusste, wo Luuja schon wieder steckte! Vielleicht kochte sie das Essen und wollte nicht gestört werden. In ihrer Vorratskammer war sie jedenfalls nicht, da kam Onnar gerade her.
    Es war dem Tongidd nicht gelungen, sich durch die Trümmer zu arbeiten, die den Stollen versperrten. Seine Hände bluteten inzwischen von der verzweifelten Schlepperei. Am Ende hatte er feststellen müssen, dass die Barrikade niemals mehr durchbrochen werden konnte: Unter dem Geröll verborgen lagen vier mächtige Felsblöcke ineinander verkeilt!
    Dennoch gab es
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