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1343 - Manons Feuerhölle

1343 - Manons Feuerhölle

Titel: 1343 - Manons Feuerhölle
Autoren: Jason Dark
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drängten sich an den Türen zusammen, auch die Teenager wollten raus. Träge schaukelten die Haltegriffe unter der Decke, und auf dem Boden bildete Feuchtigkeit einen nassen Film.
    Es wurde heller. Lichter grüßten durch die Scheiben. Menschen standen auf dem Bahnsteig und nahmen allmählich Formen an, als der Zug hielt.
    An diesem Haltepunkt stiegen zahlreiche Fahrgäste aus, aber es kamen auch neue hinzu. Bill und ich runzelten die Stirn, als wir erkannten, wer dort kam.
    Es waren vier Männer. Keine Jugendlichen. Alle wirkten angetrunken. Gekleidet waren sie wie Büroleute, die nach der Arbeit noch gefeiert hatten. Auch jetzt wirkten sie wie aufgedreht. Zwei von ihnen ließen sich auf freie Bänke nieder. Die anderen beiden blieben stehen und umklammerten die Halteschlaufen.
    Ich sah, dass Bill grinste. Wahrscheinlich dachte er an die Witze, die es über Betrunkene gab, wenn sie in ihrem Zustand mit der Bahn fuhren. Da wurde so manchem von der Schaukelei schlecht.
    Ich hoffte nur, dass dieser Witz hier nicht zur Wahrheit wurde.
    Die Luft im Wagen war nicht besonders. Irgendwie stickig und auch recht feucht. Da stimmte die Mischung aus Schweiß- und Parfümduft, aber auch ein Rest von alten feuchten Lappen wehte um unsere Nasen.
    Der Zug rollte an!
    Was sich hinter der Scheibe noch soeben klar hervorgeschält hatte, bekam nun ein anderes Bild. Die Szene löste sich auf, und Sekunden später war der Zug wieder in diesem langen schwarzen Loch verschwunden.
    Zwischen uns stöhnte Marion Lacre auf.
    Beide hörten wir es. Bevor wir eine Frage an sie richten konnten, sahen wir ihre Handbewegung. Sie strich über ihre Stirn hinweg wie jemand, der sehr müde ist.
    »Was hast du?«, flüsterte ich ihr zu.
    »Ich weiß nicht…«
    »Geht es dir schlecht?«
    »Vielleicht.«
    Damit konnte ich nicht viel anfangen. Ich fragte auch nicht weiter, sondern behielt sie unter Kontrolle. Was in meiner Umgebung passierte, war für mich nicht mehr interessant. Die Stimmen der Angetrunkenen hörte ich wie aus einem anderen Wagen stammend. Es ging jetzt allein um unseren Schützling.
    Das Kreuz hatte ich nicht mehr vor meine Brust gehängt. Wie so oft steckte es jetzt in meiner rechten Jackentasche. Ich ließ meine Handfläche darüber hinweggleiten und merkte, dass es sich leicht erwärmt hatte. Allerdings nicht überall, sondern nur im unteren Viertel. Dort befand sich das eingravierte U im Metall.
    Es war also kein Spiel. Manon hatte sich nicht geirrt. Es bewegte sich tatsächlich etwas auf sie zu.
    Von meiner Entdeckung sagte ich nichts. Ich wollte zunächst abwarten, wie es mit unserem Schützling weiterging.
    Von einer Besserung konnte man nicht sprechen. Manon hatte auch eine andere Sitzposition eingenommen. Den Oberkörper nach vorn gebeugt, drückte sie ihre Hände gegen den Bauch, und wir hörten sie dabei heftig atmen.
    Es waren nicht nur zischende Laute, die aus ihrem Mund drangen. Sie wurden ebenfalls von einem Stöhnen begleitet, das seinen Ursprung tief in ihrer Kehle haben musste.
    »Kannst du reden?«, flüsterte Bill.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Bill wollte trotzdem etwas sagen, aber ich winkte ab. Sollte ich mir Vorwürfe machen, dass ich das Einsteigen in die Bahn zugelassen hatte? Ich wusste es nicht. Es hatte auch keine Alternative gegeben, die ohne Streit über die Bühne gegangen wäre.
    Saugend holte Manon Luft. Dabei hob sie den Kopf an. Jetzt war ihr Gesicht besser zu sehen, und wir konnten einen Blick auf die Haut werfen, die sich verändert hatte. Sie sah nicht mehr so blass und normal aus. Jetzt hatte sie einen rötlichen Schimmer bekommen, als wäre sie gepudert worden.
    Beide Hände löste sie von der Magengegend. Sie ballte sie zu Fäusten. Dabei drehte sie Bill Conolly ihren Kopf zu und sprach ihn an. »Mir ist so heiß.«
    Ich stellte die nächste Frage. »Ist es das Feuer?«
    »Ja, wohl. Es kommt. Ich spüre es. Aber es ist nicht gut. Überhaupt nicht gut.«
    »Was meinst du?«
    Manon Lacre schüttelte so heftig den Kopf, dass sich sogar einige Schweißperlen von ihrer Stirn lösten. »Der Kampf, der Kampf… er … er tobt in mir. Das ist wie bei den beiden Seelen, die in meiner Brust toben. Ehrlich, ich … ich … habe es nicht gewollt. Nicht jetzt. Nicht so schnell.«
    »Wir werden an der nächsten Haltestelle aussteigen«, flüsterte Bill. »Das verspreche ich dir.«
    »Geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Das Feuer ist da!«
    Es war eine Antwort, die uns beide tief erschreckte. Zwar sahen wir die
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