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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist
Autoren: Elizabeth George
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stimmte Barbara zu.
    »Hm?«
    »Männchen einer Spezies, die Weibchen anlocken wollen. Und ohne das Gehabe hätten sie keine Chance. Interessant, oder? Eigentlich sollten die Männer Make-up tragen.«
    Hadiyyah kicherte und sagte: »Dad wär bestimmt ein toller Anblick mit Lippenstift, was?«
    »Er könnte sich vor den Frauen wahrscheinlich gar nicht retten.«
    »Das wäre Mummy aber bestimmt nicht recht«, merkte Hadiyyah an. Sie ergriff vier Dosen All Day Breakfast - Barbaras bevorzugtes Notfallabendessen nach einem ungewöhnlich langen Arbeitstag - und trug sie zum Schrank über der Spüle.
    »Nein, sicher nicht«, stimmte Barbara zu. »Hadiyyah, was ist dieses fürchterliche Gekreisch da um deinen Hals eigentlich?« Sie nahm dem kleinen Mädchen die Dosen ab und wies auf die Kopfhörer, aus denen nach wie vor irgendwelche fragwürdige Popmusik quäkte.
    »Nobanzi«, antwortete Hadiyyah geheimnisvoll.
    »No - was?«
    »Nobanzi. Die sind klasse. Schau.« Aus der Jackentasche beförderte sie die Plastikhülle der CD ans Licht. Das Cover zeigte drei Magersüchtige in den Zwanzigern mit winzigen bauchfreien Tops und Jeans, die so eng waren, dass das einzige Geheimnis, welches sie offen ließen, die Frage war, wie sie sich hineingezwängt haben mochten.
    »Ah«, sagte Barbara. »Vorbilder für unsere Jugend. Also, gib her. Lass mich mal reinhören.«
    Hadiyyah überreichte ihr die Kopfhörer, die Barbara sich aufsetzte. Zerstreut griff sie nach einer Schachtel Players und schüttelte trotz Hadiyyahs Protestlaut eine Zigarette heraus. Sie zündete sie an, während etwas, das der Refrain eines Liedes sein mochte - wenn man es Lied nennen wollte - in ihre Ohren drang. Nobanzi waren nicht gerade die Vandellas, mit oder ohne Martha, entschied Barbara. Der Text bestand aus unverständlichen Wortfetzen. Orgiastisches Stöhnen im Hintergrund ersetzte offenbar sowohl den Bass als auch das Schlagzeug.
    Barbara nahm die Kopfhörer ab und gab sie zurück. Sie zog an ihrer Zigarette und sah Hadiyyah mit zur Seite geneigtem Kopf neugierig an.
    »Sind sie nicht super?«, fragte Hadiyyah. Sie nahm Barbara die CD-Hülle ab und zeigte auf das Mädchen in der Mitte, die zweifarbige Dreadlocks trug und eine rauchende Pistole auf die rechte Brust tätowiert hatte. »Das ist Juno. Die find ich am tollsten. Sie hat ein Baby, das Nofretete heißt. Ist sie nicht süß?«
    »Genau das Wort, das mir auch in den Sinn kam.« Barbara knüllte die leeren Plastiktüten zusammen und stopfte sie in den Schrank unter der Spüle. Sie öffnete die Besteckschublade und fand ganz hinten Haftnotizen, die sie normalerweise benutzte, um sich bevorstehende Großereignisse zu notieren wie etwa: »Gelegentlich mal wieder Augenbrauen zupfen« oder »Putz endlich dieses eklige Klo«. Dieses Mal jedoch schrieb sie vier Wörter auf und sagte zu ihrer kleinen Freundin: »Komm mit. Es wird Zeit, dass sich jemand um deine Bildung kümmert.«
    Sie schnappte sich ihre Schultertasche und führte Hadiyyah wieder zur Frontseite des Haupthauses, wo die Schuhe des kleinen Mädchens am Eingang der Erdgeschosswohnung unter der Bank lagen. Barbara sagte ihr, sie solle die Schuhe anziehen, während sie selbst die Notiz an die Eingangstür heftete.
    Als Hadiyyah fertig war, sagte Barbara: »Komm mit. Ich habe deinem Dad Bescheid gegeben.« Und damit machten sie sich auf den Weg Richtung Chalk Farm Road.
    »Wohin gehen wir?«, fragte Hadiyyah. »Werden wir ein Abenteuer erleben?«
    Barbara antwortete: »Lass mich dir eine Frage stellen. Nicke, wenn einer dieser Namen dir bekannt vorkommt. Buddy Holly. Nein? Richie Valens. Nein? The Big Bopper. Nein? Elvis. Na ja, natürlich. Wer hätte nicht schon mal von Elvis gehört, aber das zählt nicht. Was ist mit Chuck Berry? Little Richard? Jerry Lee Lewis? ›Great Balls of Fire‹. Kommt dir das bekannt vor? Nein? Verflucht noch mal, was lernt ihr eigentlich in der Schule?«
    »Du sollst nicht fluchen«, sagte Hadiyyah.
    Nachdem sie die Chalk Farm Road erreicht hatten, war es nicht mehr weit zu ihrem Ziel: Der Virgin Megastore auf der Camden High Street. Um dorthin zu gelangen, mussten sie allerdings die Einkaufsmeile passieren, die, soweit Barbara beurteilen konnte, mit keiner anderen in der Stadt vergleichbar war: Die Gehwege waren bevölkert von jungen Menschen jeder Hautfarbe, Religion und Körperkultvariation, aus allen Richtungen beschallt mit einer dröhnenden Kakophonie von Musik und durchsetzt mit unzähligen Duftnoten von
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