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126 - Hinter der Grenze

126 - Hinter der Grenze

Titel: 126 - Hinter der Grenze
Autoren: Stephanie Seidel
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er dachte nicht daran, Teggar den Vortritt zu lassen.
    Grimmiger denn je schlugen die beiden aufeinander ein.
    Ihre Erregung erfasste den Clan, der sich wegen Ruuks Führungsstil längst in zwei Lager gespalten hatte. Teggars Verbündete gingen auf die Ruuk-Anhänger los – doch der Kampf endete wieder, bevor er entschieden war.
    Dann nämlich, als ein unheimliches Wesen auf dem Felsen im See landete.
    Snapper hatte bei seinem Streifzug keine Gefährten gefunden, dafür aber ein saftiges Wakuda-Kalb. Gierig fiel er darüber her. Er ahnte nicht, dass er beobachtet wurde.
    »Was ist das?« raunte Teggar erstaunt. »Ein Batera ( mutierte Fledermaus ) vielleicht?«
    »Zu groß!« Ruuk schüttelte den Kopf. Nachdenklich fügte er hinzu: »Ich frage mich, ob man es essen kann.«
    Essen war ein Zauberwort für die hungrigen Barbaren. Es ließ sie alle Streitigkeiten vergessen. Im Schutze des Felsenwalls hielten die Männer Kriegsrat und beschlossen, das fliegende Geschöpf zu töten. Falls es ungenießbar war, blieb ihnen auf jeden Fall das Wakuda-Kalb als Mahlzeit für die Kinder.
    Teggar war der beste Bogenschütze des Clans, und Ruuk konnte etwas, das bisher keiner sonst gelernt hatte: Schwimmen.
    Von Fels zu Fels huschten die Brüder auf den See zu, vorsichtig und leise. Niemand wusste, wie das fremdartige Wesen reagieren würde, wenn es sich bedroht fühlte.
    Die letzten Schritte zum Seeufer mussten sie ohne Deckung zurücklegen. Erst hier gewahrten die Männer, dass die Insel um den Felsenturm mit einer Knochenschicht bedeckt war. Auch das seltsam Menschliche in den Bewegungen des Flügelwesens offenbarte sich erst aus der Nähe. Doch für einen Rückzug war es zu spät.
    Teggar hob den Bogen und legte an.
    Arglos knackte Snapper an seinem Futter herum, als der Pfeil herauf schoss und ihn punktgenau in den Rücken traf. Das Jubelgeschrei des Clans hörte Snapper nicht mehr. Ohne einen Laut kippte er über die Felsen in den Tod.
    Die Barbaren hatten alle verfügbaren Lederriemen zusammengeknotet, und mit dieser Leine watete Ruuk ins Wasser. Teggar hielt das andere Ende fest. Es war geplant, die schwere Beute so an Land zu ziehen.
    Ruuk erreichte die Felseninsel. Das Wesen lag verkrümmt am Boden. Es schien tot zu sein. Ruuk verpasste ihm einen Tritt, um sicher zu gehen. Dann beugte er sich vor und zog den Pfeil aus der Wunde. Blut tropfte von der Spitze.
    Snappers Blut.
    Ruuk leckte es ab. Das war Brauch unter den Jägern des Clans, denn sie glaubten, dass mit dem Sterbeblut die Seele aus dem Körper kam. Wer sie einfing, auf den sprang die Kraft des Tieres über. Das tat sie tatsächlich – zumindest in diesem Fall.
    Hunderte winziger Nanobots fanden ihren Weg in den Körper des ahnungslosen Barbaren.
    Ruuk hatte sein Gesicht erhoben und sprach ein Dankgebet für die Jagd. Als er den Kopf wieder senkte, fiel sein Blick in Snappers Augen. Sie waren geöffnet, sie glänzten, und sie musterten ihn.
    »Aaaaah!« brüllte Ruuk, warf sich herum und planschte ins Wasser. Er schlug eine Schaumspur auf der Flucht, dass die Fische des Sees nur so davon zuckten. Als er wie ein triefender Yakkbulle die seichten Uferwellen durchpflügte, schrie er dem Clan zu: »Flieht! Es ist eine Gottheit! Rettet euch!«
    Teggar und seine Anhänger rührten sich nicht. Sie glaubten zu wissen, warum Ruuk das offenbar nur angeschossene Tier nicht erledigt hatte: Er war ein Feigling! Und er hatte den Clan um eine Mahlzeit gebracht!
    Ruuk war irritiert, weil sich niemand vor der Gottheit zu fürchten schien. Als Teggar ihm die Faust ins Gesicht knallte, überwog jedoch sein Ärger. Ruuk wischte sich das Blut vom Mund und schlug mit aller Härte zurück. Er traf die lädierte Nase seines Bruders. Gleichzeitig wallte Übelkeit in ihm auf.
    Von einem Moment auf den anderen fühlte er sich krank. Wie konnte das sein?
    Plötzlich schrie der ganze Clan auf.
    Ruuk fuhr herum und erbleichte. Das fremde Wesen kam im Tiefflug heran! Es würde bestimmt alle töten! Er stutzte. Aber warum trug es das Wakuda-Kalb in den Krallen? Warum legte es diese Beute beinahe sorgsam vor ihnen ab? War es ein Zufall, dass die riesigen Schwingen niemanden streiften?
    »Es ist tatsächlich ein Gott!« flüsterte Ruuk, als Snapper auf den Felsenturm zurück kehrte, um von dort das Ergebnis seiner vorsichtigen Kontaktaufnahme zu beobachten. Gleichzeitig sank er auf die Knie; weniger aus Ehrfurcht, sondern weil seine Beine plötzlich zitterten und er sich nicht länger aufrecht
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