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126 - Hinter der Grenze

126 - Hinter der Grenze

Titel: 126 - Hinter der Grenze
Autoren: Stephanie Seidel
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zu bereits zwei Meter langen Andronen entwickelt und schmeckten eklig.
    Nur eines war unverändert geblieben: seine Einsamkeit.
    Snapper sehnte sich so nach Gefährten! Dabei lieferte sein genetisches Gedächtnis eine Vorgabe: Haarig mussten sie sein, mit zwei Armen und zwei Beinen. Laut und lebhaft.
    In der felsigen Einöde rings um den See war nichts dergleichen zu finden, das wusste er. Aber vielleicht hinter der Grenze, wo die Taratzen hausten und der endlose Steinwall den Schatten von Bäumen trug. Gegen Mittag brach Snapper auf.
    Genau eine Stunde zu früh.
    Sie kamen aus dem schottischen Hochland; ein kleiner Haufen zerlumpter Barbaren auf der Suche nach einer Heimat. Hungrig sahen sie aus und müde. Sie waren schon viele Tage unterwegs. Ihr Dorf hatten sie an plündernde Fremde verloren – das Dorf, ihren Besitz und die gesamte Ernte. Nichts war ihnen geblieben. Nur eine Vision ihres sterbenden Schamanen.
    Er hatte den ältesten Traum der Menschheit geträumt, und sie schöpften den Mut zum Weiterleben aus der Hoffnung, dass sie es tatsächlich finden könnten: das verlorene Paradies.
    Ruuk, ihr Anführer, schnaufte vernehmlich, als er die vor ihm liegende Felsbarriere in Angriff nahm. Das ging schon seit drei Tagen so – eine Stunde wandern, zwei Stunden klettern.
    Anfangs hatte Ruuk seinen Leuten noch weismachen können, Götter hätten ihnen diese meterhohen Wälle aus Fels und Geröll in den Weg gestellt. Als Prüfung. Und um den Nebel einzufrieden, der in dieser Gegend oft entstand und bestimmt das Paradies vor den Blicken Unwürdiger schützen sollte.
    Mittlerweile glaubte das keiner mehr – Ruuk am allerwenigsten –, und die mürrischen Stimmen im Clan wurde immer lauter. Unterhalb der Felsenkuppe verharrte Ruuk einen Moment. Er sandte ein Stoßgebet aus, ehe er über den Rand blickte. Doch die Götter waren taub an jenem Tag: Keine zwanzig Speerlängen entfernt erhob sich schon der nächste Wall!
    Ruuk seufzte vor Enttäuschung. Hinter sich hörte er Klettergeräusche. Jemand ächzte, und loses Gestein rollte davon. Gleich darauf trat ein Mann an Ruuks Seite.
    Teggar war von kräftiger Statur, hatte grobe Gesichtszüge und trug einfache braune Pelzkleidung. Wie alle anderen.
    Missmutig wies er nach vorn.
    »Du hast uns schlecht geführt, Ruuk!« sagte er laut genug, dass die nachfolgenden Männer es hören konnten. »Wir sind erschöpft, unsere Vorräte sind aufgebraucht, und wir werden sterben. Deinetwegen.«
    Ruuk hatte mit den Zähnen geknirscht während dieser provokanten Worte. Teggar versuchte schon seit einiger Zeit, ihm die Rolle des Anführers streitig zu machen, und das ärgerte Ruuk ungemein. Als jetzt noch jemand wagte, Teggar murmelnd beizupflichten, explodierte Ruuk wie eine gereizte Wisaau.
    Ohne Vorwarnung holte der Clanchef aus und schmetterte Teggar die Faust ins Gesicht. Es knackte, als das Nasenbein brach.
    Teggar hielt sich nicht mit Jammern auf. Wortlos rammte er Ruuk das Knie in die Weichteile. Im nächsten Moment rollten die beiden den Hügel hinunter; tretend und schlagend und ineinander verbissen wie junge Hunde.
    Ruuk und Teggar hassten sich von Herzen. Das war nicht ungewöhnlich zwischen Brüdern. Schon gar nicht, wenn der Jüngere das Sagen hat.
    Sie waren annähernd gleich stark; dennoch gewann Ruuk die Oberhand, und Teggar musste flüchten. Er rannte auf den nächsten Felsenwall zu, der – anders als der vorherige –Lücken aufwies. Sie waren breit genug, um einen Mann durchzulassen. Irgendetwas schimmerte auf der anderen Seite, aber Teggar hatte keine Zeit, sich mit der Landschaft zu befassen, denn sein wütender Bruder spurtete heran.
    Ruuk packte Teggar an den Haaren und riss ihn zurück.
    Beide stürzten. Teggar wollte einem Schlag ausweichen und warf sich zur Seite. Sein Blick fiel durch die Passage – und plötzlich stand die Zeit für ihn still.
    Jenseits der Felsen lag das Paradies. Ein See, groß und schimmernd. Grüne Ufer. Sonnige freie Flächen.
    »Sieh doch nur, Ruuk! Sieh nur!« Teggars Stimme bebte vor Ergriffenheit.
    »Ich hab's gesehen.« Ruuk erhob sich und stapfte auf die Felsen zu.
    »Aber ich habe es zuerst gesehen!« Teggar machte, dass er auf die Füße kam, denn nur der rechtmäßige Entdecker des Paradieses durfte es als Erster betreten. Die Clanmitglieder schauten zu, und es verstand sich von selbst, dass dieser Erste ihr zukünftiger Anführer sein würde.
    Aber auch Ruuk war sicher, den See noch vor seinem Bruder erblickt zu haben, und
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