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098 - Horrortrip ins Tal der Toten

098 - Horrortrip ins Tal der Toten

Titel: 098 - Horrortrip ins Tal der Toten
Autoren: Jens Orlik
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Duft, als sie die Tür öffnete: frische Herbstblumen.
    Es war ein kleiner Strauß mit viel Blau und Gelb. Er stand auf ihrem Schreibtisch, jeden Morgen neu.
    Ihre Augen leuchteten. Aber sie gestattete sich nur ein Lächeln. Zu stark war der Schock noch, zu tief saß er in ihr.
    Von Henry waren die Blumen. Seine Verehrung tat wohl. Aber jetzt? Würde alles von vorn beginnen? War der Alptraum noch nicht überwunden? Laydell lag vier Wochen zurück. Und dennoch…
    Es klopfte. Henry trat ein.
    „Liebling!“ Er zog sie sanft an sich. Sie waren sich sehr nahe gekommen in diesen vier Wochen. Seine Zärtlichkeit, so schien es, wuchs von Tag zu Tag.
    „Gut geschlafen?“
    Sie nickte. „Ist was passiert, Henry? Ich merke es dir an.“
    „Korniff ist hier.“
    Sie erwiderte nichts, sah nur zu, wie er die Zeitung entfaltete.
    „Es muß Korniff sein. Auf dem Rastplatz bei Courtenay wurde gestern eine junge Frau bestialisch getötet. Sie fuhr einen Porsche und war so leichtsinnig, auf dem Rastplatz einzuschlafen. Es ist einsam dort. Ein Hippiepärchen fand die Leiche. Sie war – du weißt ja, wie es die Untoten hielten – zum Teil verzehrt.“
    Madeleine setzte sich hinter den Schreibtisch. Ihr Gesicht war sehr blaß. Ihre Finger nestelten nervös an ihrer Handtasche.
    „Du sagst ja gar nichts, Liebling.“
    Sie zog einen weißen Briefumschlag aus der Handtasche. „Der steckte vorhin in meinem Briefkasten.“
    Henry nahm ihn und starrte darauf. Ein Hauch von Verwesung schwebte durch das Büro.
    „Hat dir… hat dir Korniff geschrieben?“
    Madeleines Lächeln war Grimasse, die Vorstufe zu einem hysterischen Anfall.
    „Er… er liebt mich, Henry. Er liebt mich. Stell dir das vor! Einmal gesehen nur. Über die Burgmauer. Aber er liebt mich. Bis nach Paris ist er mir gefolgt. Woher weiß er …“, ihre Stimme überschlug sich. „Ah, die Presseberichte. Mich kennt ja alle Welt. Lesen kann er. Schreiben auch. Sogar Französisch beherrscht er. Fehlerlose Rechtschreibung. Es ist einmalig: Ich habe als Verehrer einen Untoten.“
    Sie sank zurück. Ihre Lippen zitterten. Tränen stürzten aus ihren Augen.
    Henry rannte nach nebenan. Aus seinem Schreibtisch holte er den Kognak. Ein Wasserglas, randvoll, auf einen Zug geleert – das half.
    „Keine Sorge, Liebling!“ Er streichelte ihre kupferfarbene Mähne. „Er kommt nicht an dich heran. Keine Sekunde lasse ich dich aus den Augen.“
    „Lies mal, was er schreibt!“ Madeleine trocknete ihre Tränen.
    Es war gewöhnliches Papier, beschrieben mit gewöhnlicher Tinte, die Schrift steil und energisch, an allem nichts Ungewöhnliches.
     
    Mademoiselle Madeleine,
    seit ich Sie im Schloß sah, liebe ich Sie. Nichts wird mich abhalten. Entsinnen Sie sich meiner Worte: Komm mit mir! Ich weiß, wo es schön ist. Nur für uns zwei. Sie brauchen nichts zu befürchten. Ihnen werde ich nichts antun. Ich kann auch galant sein. Bis nach Paris bin ich Ihnen gefolgt, trotz aller Gefahren für mich. Es wäre die schlimmste Kränkung, wenn Sie mich abweisen. Dann käme ich zu Ihnen, aber nicht, um galant zu sein. Ich würde Sie töten. Doch Sie werden in der Nacht zum Mittwoch unser Rendezvous nicht versäumen. Ich habe einen Platz gewählt, wo ich Ihnen ungestört erklären kann, wie ich bin, was ich will, wie es weitergehen wird mit uns beiden. Seien Sie um Mitternacht auf dem Friedhof Bagnolet, an der Avenue Pasteur. Ich warte hinter der kleinen Kapelle.
    In großer Verehrung
    Jonas Korniff.
     
    Henry ließ das Blatt sinken. „Trotz allem – irgendwie erschüttert mich das.“
    „Es erschüttert dich? Aber wieso?“ „Er hat Gefühle, Empfindungen. Ob das Liebe ist – nun, wer kann Liebe definieren? Er wird hingezogen zu dir. Er riskiert alles. Er schreibt dir sogar.“
    „Henry!“ flüsterte sie. „Ein… ein Untoter, ein Monster, einer, der zu Lebzeiten ein schrecklicher Verbrecher war, der… nein, das sind keine guten Gefühle. Es ist höchstens ein Trieb. Wie er Menschenfleisch verschlingt, um sich am Leben zu erhalten.“
    „Jedenfalls werden wir ihn morgen nacht fangen. Den Friedhof Bagnolet hat er nicht gut gewählt. Dort können sich Hunderte verstecken. Er wird es erst merken, wenn es zu spät ist.“
     
     

     

Es regnete.
    Seit dem frühen Abend ging eine Sintflut auf die Seinestadt nieder. Graue Fluten gurgelten in den Gullys. Von den Bäumen des Bois de Boulogne wurden die letzten herbstbunten Blätter gefegt. Die Luft war schwer. Smog füllte die Straßen.
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