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098 - Horrortrip ins Tal der Toten

098 - Horrortrip ins Tal der Toten

Titel: 098 - Horrortrip ins Tal der Toten
Autoren: Jens Orlik
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Jens Orlik
     
     
     
     

Ein Kerl zum Ausspucken, dachte Henry. Hoffentlich kann ich mich beherrschen. Sonst schmeiße ich ihn raus.
    Erdmann von Laydell schien zu spüren, daß er hier nicht gut ankam. Aber das änderte nichts an seinem Verhalten.
    „Was dachten Sie denn?“ näselte er. „Daß ich Ihnen vor Freude um den Hals falle, wenn Sie mit Ihrer Touristenherde bei mir anrücken? Und das für einen Bettenpreis von sechs Franc. Nein, mein Lieber! Was ich zu bieten habe, ist einmalig in Europa. Vor allem für Ihre Zwecke. Acht Franc. Und keinen Centime weniger. Bedenken Sie das Risiko. Möglicherweise fällt uns der eine oder andere tot um, weil er soviel Horror nicht verträgt.“
    Henry Dayton trat zum Fenster. Drei Stockwerke unter ihm brauste der Nachmittagsverkehr durch den Boulevard Hausmann. Die Septembersonne vergoldete die weißen und grauen Fassaden. Vom Arc de Triumphe raste ein Feuerwehrwagen heran. Vor den Cafés saßen Hippies und hübsche Pariserinnen bei Pernod, Espresso oder einem Glas Rotwein.
    „Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen“, sagte Henry. „Sie sind so hoch verschuldet, daß Sie sich eigentlich erschießen müßten. Die Rolle des Schloßherrn und Playboys funktioniert im Jahre 1974 nur, wenn man Vermögen hat. Was ich Ihnen biete, ist der Strohhalm, der zum Tau werden kann und an dem Sie sich aus dem Sumpf ziehen können. Sechs Franc! Pro Nacht, pro Nase, pro Bett! Wenn Sie ablehnen, suche ich mir ein anderes Gemäuer. Burgen und Schlösser gibt’s in Europa genug.“
    „Sie sind ein Halsabschneider“, entgegnete Laydell entrüstet.
    „Ich bin Geschäftsmann.“
    „Pah! Sie sind hier Angestellter! Nicht mal Chef des Reiseunternehmens. Mit Ihrem Chef wäre ich…“
    „Von dem habe ich alle Vollmachten. Im Interesse unserer Kunden muß ich den Preis niedrig halten. Ob wir letzten Endes nicht draufzahlen, steht ohnehin in den Sternen. Nur Sie kriegen Ihr Geld sicher – nämlich im voraus. Also?“
    Erdmann von Laydell schlug die Beine übereinander und betrachtete seine italienischen Slipper. Er mochte um die Vierzig sein, wirkte aber verlebt und hatte Tränensäcke unter den Augen. Der Goldton seiner Haare war garantiert aus der Shampootube.
    Henry hatte gehört, daß Laydell ein Schürzenjäger war, der grundsätzlich jede Frau vernaschte und danach sorgfältige Eintragungen in sein Tagebuch machte.
    „Sieben Franc, sagten Sie?“
    „Sechs!“
    Laydell stand auf. „Aber dann nur das übliche Frühstück, ohne Ei und Extras.“
    Es dauerte noch eine Weile, bis sie die Abmachungen schriftlich festgehalten und unterschrieben hatten. Laydell nahm die Kopie an sich.
    „Gut, dann erwarte ich Sie also mit 40 Gästen in einer Woche. Alles andere bereiten Sie vor, ja?“
    Henry begleitete ihn zum Lift. Laydell verabschiedete sich frostig, als sei Henry sein Feind. Im Büro sah Henry vom Fenster aus, wie Laydell in seinen blauen Maserati stieg. Er legte einen Kavaliersstart hin, daß die Pirellis quietschten.
    Aggressionsstau! Der Lackaffe! Sechs Franc, das ist ein guter Preis. So, und jetzt zum Alten!
    Henry stammte aus New York, war zweiunddreißig und wollte in Paris sein Glück machen. Den Frauen gefiel er: dunkelblond, mit grauen Augen und zwei Grübchen am Kinn. Allerdings war eins davon eine Narbe als Erinnerung an seinen Lieblingssport: Rugby. Er war so gut, hart und schnell, daß ihm die Trainer berühmter Profimannschaften lukrative Verträge geboten hatten, als er die New Yorker Columbia-Universität verließ. Er hatte abgelehnt. Für seine Energie waren Rugby und American Football eine zu kleines Feld. Es zog ihn in die weite Welt.
    Im Vorzimmer von Pierre Lecourbe, dem Chef, tippte eine ältliche Sekretärin verbissen auf ihrer Underwood.
    „Er hat Besuch, Henry.“ „Noch lange?“
    „Bestimmt. Bei solchen Schönheiten – na ja, Geschmackssache“, schränkte sie ein. „Aber Sie wissen ja, daß der Chef gern schäkert.“
    „Eine Schönheit, was?“ Henry drückte schwarze Kentuckyspitzen in seine Shag-Pfeife. Ein Edelkraut, das man in blonde Tabake mischt.
    „Geschmackssache! Sagte es schon. Ein bißchen zu auffällig. Diese jungen Dinger! Überhaupt: Rothaarige sollen ja charakterlich unzuverlässig und… eh… sexuell ausschweifend sein. Ich weiß nicht.“
    Henry grinste. Den Tag möchte ich erleben, an dem eine Frau ehrlichen Herzens von einer anderen sagt, sie sei hinreißend schön. Diese Weiber! Immerhin: Nach dem Eingeständnis der
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