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098 - Horrortrip ins Tal der Toten

098 - Horrortrip ins Tal der Toten

Titel: 098 - Horrortrip ins Tal der Toten
Autoren: Jens Orlik
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von einem Tal sein, das sich wie ein Rinnsal zwischen Bergriesen duckte: Laydell. Nie gehört!
    Es war doppelt mit Rotstift umrandet. Eine Burg gab es dort, ein Dorf. Aber weit und breit nichts, was im Tourismus einen Namen hatte.
    Vielleicht gar nicht so übel zum Untertauchen, dachte er. Bis sich die Gemüter beruhigt haben. Mal sehen, ob der Weg nicht zu schwierig ist. Die Richtung könnte ich jedenfalls einschlagen.
    Er schulterte den Rucksack und folgte der Straße. Als er die Kurve hinter sich hatte, zerriß eine Explosion die Stille. Zondern grinste. Nichts blieb dort übrig. Man würde ihn abhaken. Vorausgesetzt, er wurde vorläufig von niemandem gesehen.
    Ein einziges Mal hatte man ihn fotografiert anläßlich seiner Festnahme. Als Terrorist war er berüchtigt – man würde seinen Tod nicht mit einer Dreizeilenmeldung abtun. Man würde sein Foto im Fernsehen zeigen und in den Zeitungen veröffentlichen.
    Also untertauchen, bis sich niemand mehr erinnerte.
    Dieses Tal, dachte er, ist genau richtig dafür. Bestimmt nur Bergbauern, die noch im Mittelalter leben. Als Lektüre die Bibel. Zur Zerstreuung die Schnapsflasche.
    Er beschleunigte seinen Schritt. Über den Felsriesen drohte ein Gewitter. Gleich würde eine Sintflut niedergehen. Ihm war alles recht.
     

     

Es prickelt, dachte Henry Dayton. Mit so einer Frau zu reisen, ist wie ein Bad in Champagner.
    Die Sonne stand hoch. Kein Wölkchen am Himmel. Kurve um Kurve nahm der Citroen. An einigen Stellen war die Straße schmal wie ein Saumpfad. Manchmal drängten sich ihnen die Berge wie erdrückende Wände entgegen. Latschenkiefern wuchsen hier hoch, ziemlich niedrig, fast verkrüppelt. Dürre Halme dazwischen, wattiges Moos – alles recht karg.
    Madeleine Patou beugte sich vor. „Sehen Sie nur, Henry! Wie majestätisch!“
    „Die Berge?“
    „Der Adler. Dort! Wie er kreist.“
    „Der sucht Beute. Wenn er keine Lämmer findet, nimmt er junge Frauen. Ich wette, der hat Sie längst entdeckt.“
    Sie sah ihn von der Seite an. „Das Horrorspektakel beginnt wohl schon?“
    „Wieso? Ich mag Adler.“
    „Ich auch, aber im Zoo, hinter Gittern.“ Sie klappte die Sonnenblende herab und prüfte im Spiegel ihre Frisur.
    Was sie damit anstellte, hatte Henry in den letzten Tagen kennengelernt. Madeleine frisierte sich täglich anders.
    Er wußte nicht, welchem Hairdressing er den Vorzug geben sollte. Sie sah jedesmal umwerfend aus.
    „Noch weit, Henry?“
    „Wir sind bald da.“
    „Ich bin gespannt auf diese Laydell. Wenn die Idee HORRORTOURS einschlägt, werden wir viele Nachahmer haben.“
    „Dann hängt es davon ab, ob wir den reizvollsten Horror bieten. Wir müssen virtuos werden. Unsere Instrumente sind die Nerven der Gäste.“
    Madeleine strich sich eine rote Strähne hinter die Ohren. Sie trug Jadeclips, eine weiße Bluse und schwarze lange Hosen in dem Schnitt, der alle Merkmale einer guten Figur wie in einer Großaufnahme zeigte.
    Henry mußte sich sehr aufs Fahren konzentrieren.
    „Jetzt biegen wir rechts ab. Dort geht’s rein.“
    „Himmel“, sie sah auf ihre Armbanduhr. „In drei Stunden kommt der Bus an.“
    „Wir sind schnell gefahren. Vor dem Abendessen treffen die Touristen nicht ein.“
    „Und wenn der Fahrer das Hinweisschild übersieht?“
    „Er kennt die Strecke.“
    Henry bog ab. Schmälste Fahrbahn. Zwei Wagen konnten nicht aneinander vorbeifahren. Steile, nackte Felswände ragten vor ihnen auf.
    Ein Spalt teilte sie, senkrecht und schmal, wie von einer riesigen Axt geschlagen.
    In dem Spalt leuchtete der Himmel nicht mehr so blau.
    Henry grinste. „Wir betreten eine andere Welt. Gleich. Bin gespannt, ob Sie es auch so empfinden. Jahrhundertelang hat sich niemand hierher verirrt.“
    „Und der Anfang?“
    „Ein Urahn von Laydell. Im 13. Jahrhundert, ich sagte es schon, ließ er die Burg erbauen. Warum hier? Aus der Chronik der Laydells geht hervor, daß er die Einsamkeit brauchte. In anderen Gegenden hätte man ihn genüßlich zerstückelt.“
    „Hatte er soviel Unheil angerichtet?“
    „Offenbar war er ein Raubritter, der die Kaufleute nicht nur wegen der Waren überfiel. Damals herrschte reger Warentausch zwischen den deutschen Handelsstädten und Norditalien. Aber der Urahn von Laydell mochte nicht nur seidige Tuche, Gewürze und Wein. Er hatte auch seinen persönlichen Spaß an kunstvollem Massaker.“
    „Sie erwähnten das schon“, murmelte Madeleine und ließ keinen Blick von dem Felsspalt, dem Eingang zum Tal.
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