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098 - Horrortrip ins Tal der Toten

098 - Horrortrip ins Tal der Toten

Titel: 098 - Horrortrip ins Tal der Toten
Autoren: Jens Orlik
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einsperren. Schon ein komischer Klotz, wie? Sehen Sie sich die Felswände des Sockels an – steil abfallend, wie mit dem Meißel bearbeitet. Laydells Urahn wußte, wie man das geschickt ausnutzt. Er hat die Burgmauer genau auf die Felskante gebaut. Und damit den Anstieg verlängert. Das heißt: ohne Leiter schafft das ohnehin nur ein versierter Bergsteiger. An niedrigster Stelle sind es immer noch zwanzig Meter, schätze ich. Innen wird es Ihnen gefallen.“
    „Ich glaube nicht.“
    „Es gibt eine große Zisterne. Die schwarzen Mauern, die da nackt in die Höhe ragen, gehören zu einem der drei Türme. Links – da, sehen Sie! – kommt jetzt der zweite hervor. Den dritten sieht man nur vom Dorf. Es gibt das sogenannte Landgrafenhaus, einen eingeduckten Kemenatenturm, früher Domizil der Burgfrauen, ein Ritterhaus und die Vogtei.“
    Henry fuhr jetzt sehr langsam.
    „Hat man einen Burggraben angelegt?“ fragte Madeleine.
    „Das war nicht nötig. Auch die Zugbrücke fehlt deshalb. Früher, als die Laydells noch auf Pferden durchs Tal ritten, führte ein schmaler, sehr steiler Sandweg zum Tor. Der einzige Zugang. Der jetzige Schloßherr hat diese Halsbrecherei abgeschafft. Die Auffahrt beginnt hundert Meter weiter vorn. Dadurch wurde die Strecke viel flacher. Aber man sieht noch die Stelle, wo es ursprünglich hinaufging. Glaube fast, die sind nicht auf Pferden geritten, sondern auf Mulis.“
    Madeleine sah zum Dorf; eine Ansammlung armseliger Hütten.
    Rechts am Straßenrand zog ein Bauer einen Handkarren.
    Henry mußte zweimal hupen, ehe der Mann auswich. Dann wandte er sich um. Aus nächster Nähe glotzte er Madeleine an.
    „Sehen die alle so aus?“ fragte sie leise.
    „Sie dürfen nicht vergessen: Jahrhunderte lange Abgeschiedenheit. Da bringt die Inzucht keine Schönheiten hervor.“
    „Aber so!“
    „Hundert Einwohner hat das Dorf, sagte mir Laydell, abzüglich der zwölf, die an diesem Pilzgericht gestorben sind.“
    „Sagen Sie so was nicht, Henry! Es klingt so zynisch.“
    „Ich passe mich nur meiner Rolle an. Unsere Gäste wollen was erleben. Keine zu zarten Töne, sonst heißt es noch, wir hätten sie in ein Kasperltheater gelockt. Hier beginnt die Auffahrt. Merken Sie, wie das Burgtor uns ansaugt? Seit über hundert Jahren steht es Tag und Nacht offen. Laydell meint, schließen läßt es sich nicht mehr. Bei soviel Rost zerbrächen die Scharniere.“
    Madeleine saß niedergeschlagen in den Polstern. Der Gedanke, hier eine Woche zu übernachten wurde plötzlich zum Problem. Henry lag goldrichtig mit seiner Idee: Für eine HORROR-TOUR gab es kein passenderes Ziel.
    Die Straße war staubig. Keine Begrenzung rechts und links. Vor dem Tor fuhren sie etwa zwanzig Meter über dem Talboden.
    Sie sah hinunter. Sumpf, Schilf, in Richtung Dorf tief grünes Moos. Dann schien sich der Boden zu heben, vermutlich ein Felssockel, Heidekraut wuchs auf festem, sandigen Grund.
    Sie fröstelte.
    Schatten um sie herum. Kühle. Sie fuhren durchs Tor. Ein gepflasterter Hof, die Zisterne mit hüfthoch ummauertem Rand, überall Düsternis und Moder. Die Bauten wie Henry sie beschrieben hatte, drohend und dunkel. Drei Türme. Der Grundriß der Burg schien ein Dreieck zu sein.
    Henry hielt neben der Zisterne.
    „Nanu! Wo sind denn roter Teppich, Blaskapelle zum Empfang und die Jungfrauen mit Blumensträußen?“
    Sie stiegen aus.
    Madeleine schob ihren Metallgürtel zurecht. „Sie haben die falsche Burg erwischt, Henry. Hier erwartet uns niemand.“
    Er lächelte und klatschte laut in die Hände. „Hallo, Schloßherr! Wo stecken Sie? Wir bringen Ihnen das 20. Jahrhundert mit seiner schrecklichsten Erfindung: dem Massentourismus.“
     

     
    Zonderns Füße waren voller Blasen. Aber das Wasser des kristallklaren Gebirgsbaches kühlte erfrischend. Er war endlos gewandert, immer auf einsamen Pfaden, fernab der Straßen, immer auf der Hut. Er wich den Menschen aus. Einem Senner war er begegnet.
    Die wenigen Bergbauern, die auf steilen Buckelwiesen mit dem Rechen das Heu wendeten, hatten ihn kaum beachtet.
    Die Gegend wurde einsamer. In Gedanken rechnete er: ein paar Wochen untertauchen, dann konnte ihm nichts mehr passieren. Wer würde sich schon erinnern, daß Henry Zondern ein blonder, sehniger Kerl von knapp dreißig war, mit dem kehligen Akzent der Niederländer, obwohl er Italienisch und Deutsch fließend beherrschte?
    Das Laydelltal. Er würde es sich ansehen, ob es für ihn wirklich der richtige Schlupfwinkel war.
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