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098 - Horrortrip ins Tal der Toten

098 - Horrortrip ins Tal der Toten

Titel: 098 - Horrortrip ins Tal der Toten
Autoren: Jens Orlik
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Rasch näherten sie sich ihm.
    „Der olle Raubritter machte einfach alles“, erzählte Henry, „pfählen, schänden, vierteilen, Menschen als lebende Fackeln verwenden. Das sprach sich herum. Er mußte sich hier verstecken und starb, hochbetagt, am Biß einer Viper. Schlangen soll es hier immer noch geben. Also laufen Sie bitte nicht barfuß durchs Moor.“
    „Mon Dieu, nein! Henry, wollen wir nicht umkehren?“
    Er lachte. „Ahnen Sie denn nicht, worauf ich spekuliere? Nachts wird Ihnen so gräßlich bange sein, daß Sie trostsuchend in mein Zimmer fliehen.“
    „Kann schon sein. Aber versprechen Sie sich nichts davon. Mir bis zum Morgengrauen aus dem Neuen Testament vorzulesen, wird Ihnen wenig gefallen.“
    Vor ihnen verschwand die Straße zwischen Wänden. Henry fuhr langsamer. Schatten fiel über sie. Jetzt rollte der Wagen in den Spalt. Madeleine rückte unwillkürlich nach links. Zu nahe war ihr die Felswand. Durch das herab gekurbelte Fenster sah sie dicke Wassertropfen auf Felsbrocken. Es roch modrig. Als eisiger Hauch drängte die Luft herein. Aber nur für einen Moment. Dann waren sie durch. Schon rückten die Felsen auseinander.
    „Paßt hier der Bus überhaupt durch?“
    „Gerade so.“
    Madeleine hätte sich fast über die Augen gewischt. Noch rechtzeitig entsann sie sich ihrer grünen Lidschatten.
    Das Tal war schmal, langgestreckt, eingekesselt von hohen Wänden.
    Seltsam! Die Luft schien zu stehen. Der Himmel war schiefergrau. Kein Laut. Nicht einmal Grillen zirpten auf den Wiesen.
    Madeleine atmete tief. Etwas beengte sie. Henrys Bericht! Er hat mich eingestimmt, dachte sie. Bin ich so leicht zu beeinflussen?
    „Unheimlich“, ihre Stimme schwankte ein wenig, „finde ich das Tal überhaupt nicht.“
    „Nein? Dann ist wohl meine Phantasie mit mir durchgegangen.“
    Der Wagen folgte der Straße. Vor ihnen knickte das Tal etwas ab. Dorf und Schloß waren noch nicht zu sehen.
    Sie kamen an einem Friedhof vorbei. Er lag zwischen Straße und Bergwand. Alte Gräber, die grobgeschnitzten Holzkreuze schon vermodert.
    „Täusche ich mich, Henry? Das sind doch mindestens zehn frische Gräber!“
    „Zwölf. Vorige Woche hielt hier der Tod reichlich Ernte. Keine Sorge! Weder Typhus noch Cholera. Im Dorfgasthaus wurde ein Pilzgericht serviert, in dem etliche Satans- und Knollenblätterpilze waren. Einen Arzt gibt es hier nicht. Hilfe kam zu spät. Der Gastwirt ist aus dem Tal geflohen, sonst hätte man ihn gelyncht. Angeblich hält er sich in Innsbruck versteckt. Die frischen Gräber mit den kärglichen Kränzen – für uns ist das Werbung.“
    „Und was kann man hier gefahrlos essen?“
    „Erdmann von Laydell bezieht die Verpflegung für die Gäste und uns von einer Tiefkühlfirma. Heute abend“, er grinste, „gibt es Omelette mit Champignons.“
    „Sie Sadist!“
    „Adler mögen Sie nicht. Pilze nicht. Frische Gräber erschrecken Sie. Womit kann man Ihnen denn eine Freude machen?“
    Madeleine schwieg. Bevor sie die Biegung erreichten, drehte sie sich um und sah zu dem Friedhof zurück. Nur wenige Sträucher zierten ihn. Es war so windstill, daß sich kein Blatt regte.
    Sie mochte Friedhöfe – sonst. Viele waren so lauschig und schön, daß man dort, ohne melancholisch zu werden, entspannen und träumen konnte. Diesen mochte sie nicht.
    „Unheimlich finde ich es hier überhaupt nicht“, sagte sie.
    „Allmählich glaube ich Ihnen.“
    „Henry!“
    „Ja?“
    Sie drehte sich rasch um. „War hier nicht eben etwas?“ „Was?“
    „Ich weiß nicht. Ich hatte das Gefühl, hinter mir…“
    „So erging es mir auch, wie ich Ihnen schon erzählt habe. Es ist wohl die Stille. Dieses Tal hat besondere klimatische und thermische Bedingungen. Wenig Wind fällt ein. Hohe Wände halten ihn überall ab. An heißen Tagen drückt Sonnenglut in diese Wanne. Trotzdem ist der Boden sumpfig. Dort hinten beginnt das Moor. Es zieht sich bis zur Nordwand. Diese Eigenheiten knabbern an den Nerven. Je nach Empfindlichkeit reagieren die Menschen. Das ist es wohl, was wir spüren.“
    „Ja“, sagte sie. „Das muß es sein.“
    Jetzt erreichten sie den Knick.
    Fast das ganze Tal zog sich bis in den engen Kessel im Nordwesten.
    Henrys Vergleich mit einer Wanne traf zu – für diesen Teil jedenfalls. Hier war der Talboden breiter, maß etwa einen Kilometer. Auf einem Felssockel, genau in der Mitte, thronte Schloß Laydell.
    „Wie ein Gefängnis“, flüsterte Madeleine.
    „Wir werden unsere Gäste
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