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Elfenbann

Elfenbann

Titel: Elfenbann
Autoren: Aprilynne Pike
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Eins
    I n den Gängen der Del-Norte-Highschool tobte am ersten Schultag nach den Ferien das übliche Chaos, als Laurel sich durch eine Gruppe von Zehntklässlern drängte. Endlich entdeckte sie Davids breite Schultern, schlang ihm die Arme um den Bauch und drückte ihr Gesicht an sein weiches T-Shirt.
    »Hey«, sagte David und erwiderte ihre Umarmung. Laurel hatte gerade die Augen geschlossen, um sich ganz dem Augenblick hinzugeben, als Chelsea sie beide überschwänglich drückte.
    »Ist das nicht unglaublich? Endlich sind wir in der Abschlussklasse!«
    Laurel lachte, als Chelsea sie wieder losließ. Für sie war die Frage keineswegs rhetorisch gemeint, denn hin und wieder hatte Laurel ernsthaft daran gezweifelt, dass sie überhaupt so lange leben würden.
    Als David an sein Schließfach ging, holte Chelsea Mrs Cains Sommer-Leseliste aus dem Rucksack. Laurel verkniff sich ein Lächeln; Chelsea hatte den ganzen Sommer über gegrübelt, welche Bücher sie aussuchen sollte. Vielleicht auch noch länger.
    »Ich habe allmählich das Gefühl, dass alle Stolz und Vorurteil gelesen haben«, sagte sie und hielt den Zettel
so, dass Laurel mitlesen konnte. »Hätte ich nur Überredung genommen.«
    »Also, ich habe Stolz und Vorurteil nicht gelesen«, erwiderte Laurel.
    »Ja, klar, weil du vielleicht ein bisschen zu sehr damit beschäftigt warst, Die Allgemeine Anwendung von Farnen zu studieren oder so was.« Chelsea beugte sich vor, um zu flüstern. »Oder Die sieben Gepflogenheiten der erfolgreichsten Mixer «, fügte sie unter schnaubendem Gelächter hinzu.
    »Wie gewinnt man Wedel und beeinflusst Pappeln «, schloss David sich mit hochgezogenen Augenbrauen an, ehe er sich ruckartig aufrichtete, breit lächelte und eine Faust ausstreckte. »Hey, Ryan«, sagte er laut.
    Ryan schlug seine Faust dagegen und strich dann Chelsea über beide Arme. »Na, wie geht’s der süßesten Abschlussschülerin an der Del-Norte?«, fragte er. Chelsea stellte sich kichernd auf Zehenspitzen, um ihn zu küssen.
    Mit einem zufriedenen Seufzer nahm Laurel Davids Hand und lehnte sich an ihn. Sie war erst vor einer Woche von der Akademie in Avalon zurückgekehrt. Ihre Freunde hatten ihr gefehlt – sogar mehr als im vergangenen Jahr, obwohl Yeardley, ihr Lehrer, ihr wie üblich einen Berg von Aufgaben übertragen und nur wenig Zeit zum Grübeln gelassen hatte. Sie hatte mehrere Zaubertränke gebraut und war kurz davor, weitere in ihren Bestand aufzunehmen. Außerdem hatte sie mittlerweile Erfahrung im Mixen, denn ihr Gefühl für die Kräuter und Essenzen und die Art ihres Zusammenwirkens hatte sich enorm verbessert. Noch immer reichte es nicht zu der Art
von Selbstständigkeit, mit der ihre Freundin Katya neue Zaubertränke ausprobierte, doch Laurel war stolz auf ihre Fortschritte.
    Abgesehen davon empfand Laurel es als Erleichterung, wieder in Crescent City zu sein, wo alles so normal war und sie sich nicht so einsam fühlte. Sie blickte lächelnd zu David hoch, als er seine Schließfachtür zuwarf und sie an sich zog. Es war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass sie in diesem Schuljahr nur einen gemeinsamen Kurs hatten, und obwohl Laurel schon die vergangene Woche mit ihm verbracht hatte, klammerte sie sich an diese letzten Minuten vor dem Klingeln.
    Beinahe hätte sie das sonderbare Kribbeln nicht beachtet, das sie zwang, sich umzudrehen.
    Wurde sie etwa beobachtet?
    Eher neugierig als ängstlich tarnte Laurel den raschen Blick nach hinten, indem sie ihr langes blondes Haar zurückwarf. Aber sie merkte sofort, wer sie ansah, und ihr Atem stockte, als sie in ein Paar blassgrüner Augen sah.
    Diese Augen sollten nicht hellgrün sein, sondern dunkelsmaragdgrün, so wie sie früher zu seinen Haaren gepasst hatten – doch sein Haar war nun durchgehend schwarz, kurz und mit Gel zu einem lässigen Wuschelkopf frisiert. Statt ehemals handgewebter Tunika und Kniehose trug er Jeans und ein schwarzes T-Shirt, die ihn sicher schrecklich drückten, so gut sie auch an ihm aussahen.
    Und er hatte Schuhe an. Sie hatte Tamani noch nie mit Schuhen gesehen.
    Ob hell oder dunkel, sie kannte seine Augen – Augen,
die nur zu häufig in ihren Träumen vorkamen und die ihr so vertraut waren wie ihre eigenen oder die ihrer Eltern. Oder Davids.
    Als sie ihn so ansah, schrumpften die Monate, in denen sie Tamani nicht gesehen hatte, zu einem kurzen Moment. Letzten Winter hatte sie ihn in einem zornigen Augenblick fortgeschickt, und er war tatsächlich gegangen.
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