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098 - Horrortrip ins Tal der Toten

098 - Horrortrip ins Tal der Toten

Titel: 098 - Horrortrip ins Tal der Toten
Autoren: Jens Orlik
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vertrockneten Büropflanze zu urteilen, mußte in Lecourbes Besuchersessel ein sensationeller Popo sitzen.
    Knacken in der Sprechanlage. „Ja, Chef?“
    „Henry soll zu mir kommen.“
    Er stieß eine Rauchwolke aus und öffnete die Tür.
    „Können Sie neuerdings fliegen?“ fragte Lecourbe.
    „Ich trainiere als Vampir“, erwiderte Henry. „Paßt zu dem, was ich in den nächsten Wochen vorhabe. Darf ich weiter rauchen? Ihren kaputten Bronchien schadet das auch nicht mehr. Und Mademoiselle sieht blühend gesund aus.“
    „So ist er“, sagte Lecourbe zu seiner Besucherin. „Er belebt unser Geschäft. Nur hat er als New Yorker eine andere Vorstellung von Charme als wir. Wenn Sie ihn ab und zu ohrfeigen, benimmt er sich normal.“
    Henry sah die Frau an. Mitte Zwanzig, rote Mähne – Himmel, so viel Haare! Und so seidig. Die blauen Augen blickten kühl. Reife Aprikosen hätten sie um ihre Haut beneidet. Jetzt hob sie ihr rassiges Profil und lächelte ihn an.
    „Mademoiselle Madeleine Patou wird mit Ihnen zusammenarbeiten, Henry. Vor allem bei dem neuen Projekt.“
    „Jetzt weiß ich endlich, weshalb ich nach Paris gekommen bin.“
    Henry lächelte, stellte fest, daß ihre Beine Überlänge hatten, und er setzte sich paffend auf die Ledercouch.
    Lecourbe schob zwei Bleistifte auf seinem Schreibtisch nebeneinander und strich sich über die spiegelnde Glatze.
    „Henry ist was Besonderes eingefallen. Kann ein Knüller werden. Er spekuliert darauf, daß sich jeder normale Mensch gern gruselt. Henry, bitte!“
    „Haben Sie schon von Schloß Laydell gehört, Mademoiselle?“
    Sie verneinte. „Aber dafür kenne ich Schloß Versailles sehr genau. Ich war dort Fremdenführerin und habe die Trinkgelder bis heute nicht versteuert.“
    „Sagen Sie das nicht so laut vor dem Chef. Der denunziert Sie, um die Prämie einzustecken. Sie kennen also Laydell nicht. War auch für mich eine zufällige Entdeckung. Ich muß sagen“, Henry wurde ernst, „als ich in das Tal fuhr, hatte ich ein seltsames Gefühl. Ich bin Instinktmensch, wissen Sie. In der Stille und Einsamkeit dort verspürte ich eine unerklärliche Bedrohung. Zweimal habe ich mich umgesehen, weil ich glaubte, hinter mir säße jemand im Wagen. War natürlich Unsinn. Aber diese unheimliche Stimmung brachte mich auf die Idee. Und als ich dann erst das Schloß sah!“
    „Wo liegt es denn?“
    „In einem Hochtal der Alpen. Ganz einsam, ganz abgelegen, ganz unbekannt. Ringsum schroffe Berge, steil wie Wolkenkratzerwände. Nur ein Zugang zum Tal. Die schmale Straße quetscht sich durch einen Einschnitt im Fels. Auf einem Felssockel steht das Schloß. Sie nennen es Schloß, aber es ist mehr eine Burg. Im 13. Jahrhundert erbaut und ziemlich heruntergekommen. Wie auf Untertanen blickt es auf die schäbigen Häuser vom Dorf Laydell hinab. Zwei Dutzend Bauten vielleicht, ein Gasthaus, ein Brunnen. Kein Tourismus. Aber der Schloßherr hat seine Kemenaten und Kerkerzellen mit Versandhausbetten möbliert. 45 Gäste kann er aufnehmen. Wenn ich behaupte, die Schloßküche sorge für ihr leibliches Wohl, wäre das ein Hohn für Pariser Gaumen. Aber um sich die Wampe voll zu hauen, fährt wohl niemand dorthin.“
    „Sondern?“ Madeleines Augen funkelten vor Neugierde.
    „Wir nennen es HORRORTOURS!“
    Sie nickte.
    „Aber Gruselkulisse genügt nicht. Die haben Sie mit etwas Phantasie in jeder Altstadt um Mitternacht.“
    „Warten Sie ab, bis wir dort sind. Diese Atmosphäre – noch nie habe ich so etwas erlebt. Eine andere Welt. Als würde man zurückversetzt ins Mittelalter und zwar dorthin, wo es am schaurigsten ist. Wenn je etwas Grausiges passiert, dort könnte ich es mir vorstellen.“
    Zweifelnd sah Madeleine ihn an. „Ehrlich gesagt, Monsieur Dayton, Sie wirken, als hätte man das Wort abgebrüht für Sie erfunden. Wenn Sie so was sagen. Aber glauben Sie, daß alle Gäste so empfinden? Die wollen doch…“
    „Natürlich wollen die Attraktionen. Und die bieten wir ihnen. Makabres Schauspiel zu jeder Gelegenheit. Wir nehmen nur Reisende mit gesundem Herzen, damit sie nicht vor Entsetzen der Schlag trifft. Mit solchen Übertreibungen werben wir, und die Leute kommen in Scharen. Der erste Bus ist komplett. Alle haben bezahlt. Nächste Woche geht’s los.“
    Madeleine zupfte an ihrem kurzen Jeansrock. „Attraktionen?“
    „Ein Maskenbildner und vier stellungslose Schauspieler sind engagiert worden. Sie werden in Horror-Figuren verwandelt, um im Schloß ihr Unwesen
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